Warum wollte Hölderlin unbedingt Dichter werden?
Die weltliche Kirche lehnte er zwar ab, doch er war mit Gott und
der Schöpfung spirituell stärker verbunden als manch anderer.
Der starke innere Drang zum Dichtertum mag ein Anruf Gottes
gewesen sein, diesen persönlichen Weg einzuschlagen, um eine
tiefere Dimension der Reflexion zu erlangen, die im hektischen
Alltag nicht möglich ist. Natürlich steht die Suche nach dem Sinn
des Lebens im Mittelpunkt sowie die Sehnsucht, im Menschsein
geistig zu wachsen und zu reifen. Die Stille und Eingezogenheit,
die Hölderlin zum Denken und Meditieren brauchte, verhalfen ihm zu
einer außerordentlichen Weitsicht, die seinen Blick auf das
Wesentliche schärfte... und seine Erkenntnisse wollte er unbedingt
mit den Menschen teilen.
Hölderlin schreibt seinem Bruder Karl, der ebenfalls schreiben
möchte: "Shakspeare ergreift Dich so ganz; das glaub' ich. Du
möchtest auch von der Art etwas schreiben, lieber Karl, ich möcht'
es auch. Es ist kein kleiner Wunsch. Du möchtest es, weil Du auf
Deine Nation mitwirken möchtest; ich möcht' es darum auch, doch
mehr noch, um in der Erzeugung eines so großen Kunstwerks, meine
nach Vollendung dürstende Seele zu sättigen." (Gr. StAg, 6-1, S.
263)
Zu Hölderlins Lebzeiten bei seiner Pflegefamilie im Turm gab
bereits Hölderlins Halbbruder Karl Gok gesammelte Werke dem
Cotta-Verlag in Auftrag. Cotta ließ jedoch Hölderlins Schriften
von Gustav Schwab und Ludwig Uhland überarbeiten, bevor die Texte
in den Druck gingen. 1826 schenkte man Hölderlin ein solches
Buchexemplar, allerdings ohne den eigenen Lebenslauf, weil dieser
für Hölderlin ja überflüssig war.
Arglos begann Hölderlin in diesem Buch seine eigenen Texte zu
lesen, d.h. gelesen hatte er sie weniger, sondern sprach sie aus
seinem guten Gedächtnis heraus nach, bis er auf erste Wörter
stieß, die ihm fremd vorkamen. Mit Entsetzen musste er schließlich
feststellen, dass Wortlaut und auch Rhythmus verändert waren.
Verständlicherweise bekam Hölderlin daraufhin einen Wutausbruch,
hatte man ihn doch übergangen, weil man ihn als Dichter wohl nicht
mehr ernst genommen hatte. Er wollte dieses Buch nicht in seinem
Besitz haben, und es ist ihm dann abhanden gekommen.
Hölderlin besaß ohnehin nie viele Sachen, erst recht nicht im Turm
- das "Wämsle" (Wams) und die Handschuhe, die ihm seine Mutter
geschickt hatte, damit er nicht im Winter friere, seine fünf
Pfeifenköpfe, die er selbst in Frankfurt gekauft hatte...
überflüssige Besitztümer an sich waren für Hölderlin wie auch für
manche meiner Vorfahren nicht so wichtig.
Die gesammelten Werke von 1826 sind also nicht mehr Originalton
Hölderlin. Wäre Hölderlin tatsächlich verrückt oder geistig
umnachtet gewesen, hätte er gar nicht begriffen, was mit seinen
Texten geschehen war und was dies für sein Lebenswerk letztlich
bedeutete.
Hölderlins Werke fanden nach seinem Tod im Jahre 1843 zwar
zunächst immer weniger Beachtung, aber Hölderlin war dennoch nie
wirklich ganz in Vergessenheit geraten. Es kursierten u.a. kleine
Bücher für unterwegs, die man sich in die Jackentasche steckte, um
sich mit Lesen die Zeit zu vertreiben, wenn man auf Reisen war.
Solche Bücher wurden teilweise noch kurz vor seinem Tod gedruckt
und galten hier und da als kleine Aufmerksamkeit, die man zu
besonderen Anlässen mit einer persönlichen Widmung versehen
verschenkte.
K. Köstlins Schmuckausgabe von 1884 (siehe Foto auf der Startseite
mit dem schwarz-rot-gold verschnörkelten Einband) enthält
Hölderlins Gedichte zum Teil in der überarbeiteten Fassung und
sein bekanntestes Werk, den Briefroman 'Hyperion', der nach den
Originalausgaben von 1797 bis 1799 abgedruckt wurde.
Im Vorwort ist zu lesen, dass 1881 anlässlich eines Festes, das zu
Ehren Friedrich Hölderlins in Tübingen gefeiert wurde, erste
Anregungen gegeben wurden, Köstlin möge doch eine vollständige
Sammlung von kleineren und größeren Werken Hölderlins herausgeben,
um die verblassende Erinnerung an den schwäbischen Dichter in
seinem Heimatland aufzufrischen.
Köstlin konstatierte mit Freude, dass man offensichtlich den
Wunsch verspürte, sich mit Hölderlin wieder vertrauter zu machen.
Als Professor der Theologie und Philosophie hielt er Vorlesungen,
die oftmals sehr weit in die Tiefe gingen. Als Literaturhistoriker
beschäftigte sich Köstlin vornehmlich mit Goethe und Shakespeare
und befand schließlich, dass die meisten Dichtungen Hölderlins
"Perlen ersten Ranges" waren, die durchaus sehr viel mehr
Aufmerksamkeit verdienten, als es bis dahin der Fall gewesen war.
Daraufhin machte sich Köstlin also mit Eifer an die Arbeit, die
Persönlichkeit und Lebensgeschichte und die damit verbundene
Entstehung und Bedeutung von Hölderlins Werken sowohl seinen
Mitmenschen als auch den künftigen Generationen näher zu bringen.
Das Bild zeigt das Denkmal, das Friedrich Hölderlin zu Ehren am
30. Juni 1881 in Tübingen feierlich enthüllt wurde.
Das untere Foto zeigt das Hölderlin-Denkmal im Bad Homburger
Kurpark, welches am 28. Juli 1883 vom Verein für Geschichte und
Alterthumskunde zu Homburg errichtet wurde. Die Inschrift besagt,
dass es an Hölderlins Aufenthalt 1798-1800 und 1804-1806 in
Homburg erinnern soll.
Eine Nahaufnahme von Hölderlins Gesicht: Steht man direkt vor der
Säule und blickt von links auf Hölderlins Kopf, so scheint es, als
ob Hölderlin sehnsüchtig aus dem Fenster schaut, vielleicht zu
Susette in Richtung Frankfurt.
Anfang des 20. Jahrhunderts erlebte Hölderlin eine Art der
Renaissance. Viele Gelehrte, Historiker, Linguisten, Theologen
usw. begannen, über Hölderlin zu schreiben, ganz gleich, um welche
Themen und Fachgebiete es sich handelte; politische, medizinische,
religiöse oder sonstige wissenschaftliche Aufsätze, Abhandlungen
und Bücher. Hölderlin bietet bis heute zwar Schreibstoff aus
verschiedenen Bereichen, jedoch ist er von vielen seither immer
wieder für deren Zwecke "missbraucht" worden. Je nach politischer
Haltung der Verfasser oder aus sonstigen Gründen, wurden Hölderlin
seine Worte im Mund herumgedreht und oftmals in anderem Kontext
wiedergegeben.
2017 beschrieb der Pharmakologe Reinhard Horowski in seinem Buch
'Hölderlin war NICHT verrückt', dass Hölderlin nicht schizophren
war, sondern mit einer Überdosis Kalomel, einer
Quecksilberverbindung, falsch behandelt wurde. Hölderlin wurde im
Grunde also langsam vergiftet und kämpfte bis zu seinem
natürlichen Tod mit körperlichen Spätfolgen wie Verlust der
Schneidezähne und motorische Störungen in Armen und Beinen.
Wenn ich das Wort Quecksilber höre, dann heisst das für mich "so
gut wie tot". Meine Mutter hatte mir von klein auf schon
beigebracht, dass ich das alte Quecksilber-Fieberthermometer nicht
zerbrechen solle, weil das austretende Quecksilber einfach
hochgiftig sei. Kein Wunder, dass es Hölderlin in der Klinik
schlecht erging. Doch seine Natur war stark und robust und er
wurde von Familie Zimmer gut gepflegt, sonst wäre er nicht
immerhin 73 Jahre alt geworden.
Hölderlin hatte einen leichten Tod, und das tröstet mich wirklich.
Als er abends zu Bett ging, nachdem er gespeist und noch etwas
Klavier gespielt hatte, bekam er noch einen Tee, weil er etwas
erkältet war. Um 23 Uhr stellte Lotte Zimmer fest, dass Hölderlin
sanft entschlafen war.
Im Geiste war Hölderlin immer bei klarem Verstand geblieben. Zwar
war er im Turm oft sehr still und in Gedanken versunken, er schien
müde und ausgebrannt, was aber auch allein schon seinem
fortgeschrittenen Alter geschuldet war. Er war ja kein junger Mann
mehr, der wie früher meistens zu Fuß im Eiltempo querfeldein durch
die Landschaft marschierte.
Wenn der alte Hölderlin im Turm jedoch vertrauten, lieben Besuch
erhielt und ihm ein paar Gläschen Wein angeboten wurden, so
erheiterte sich sein Gemüt zusehends und er wurde mit der Zeit
dann auch redseliger. Erzählte er von früher, schwärmte er oftmals
in französischer Sprache von Bordeaux mit dem Wein, den
Zitronenbäumen und dem wilden Meer. Doch manchmal stockte ihm der
Atem, seine Stimme versagte und er schien Tränen unterdrücken zu
müssen, wenn offensichtlich schmerzliche Erinnerungen hochkamen.
Ihm vertraute Turmbesucher und Zeitzeugen schrieben dazu in ihren
Briefen, dass sie den Eindruck hatten, Hölderlin spräche immer die
Wahrheit, auch wenn sie noch so schmerzlich sei.
Köstlin schrieb in seiner Ausgabe von 1884 auf der ersten Seite
der Einleitung im zweiten Absatz: "Die Dichtungen Hölderlin's üben
schon rein an sich selbst eine große Anziehung aus durch Tiefe,
Innigkeit und Adel der Empfindung, durch Reichthum des Gedankens,
durch seltene Vollkommenheit der künstlerischen Form."
Eduard Mörike sichtete Hölderlins Nachlass im Turm und befand 49
Gedichte als würdig, sie der Nachwelt zu hinterlassen. Hölderlin
hatte aber im Laufe seiner Jahre im Turm hunderte von Entwürfen zu
Gedichten erstellt und feinsäuberlich aufgehoben, deren Wert man
damals leider nicht erkannt hatte. Diese Skizzen und Entwürfe
wurden nach seinem Tod waschkörbeweise aus dem Zimmer getragen und
auf einem Haufen verbrannt. Das finde ich wirklich jammerschade -
wäre für die Hölderlinforschung heute sehr interessant zu lesen,
was Hölderlin in seiner zweiten Lebenshälfte alles im Kopf
herumgegangen war.
Schaut man in Tübingen genau auf die Wand des Hölderlin-Turms, so
erkennt man in einer Nische eine kleine Hölderlin-Figur, eine
Bronzebüste von Maximilian Wittmann, die 1933 zum 90. Todestag im
Turmsockel aufgestellt worden war.
Neben dem Turm befindet sich eine weitere Figur im Garten - eine
Hölderlin-Skulptur von Ivo Beucker von 1956.
Hölderlin war seiner Zeit weit voraus. In einer Welt voller
Egoismus und Kaltherzigkeit beschrieb er immer wieder, dass die
Gesellschaft ohne Liebe und Moral zugrunde ginge. Seine Aussagen
scheinen heute mehr denn je zuzutreffen.
"Es ist auf Erden alles unvollkommen, ist das alte Lied der
Deutschen. Wenn doch einmal diesen Gottverlaßnen einer sagte, daß
bei ihnen nur so unvollkommen alles ist, weil sie nichts Reines
unverdorben, nichts Heiliges unbetastet lassen mit den plumpen
Händen, daß bei ihnen nichts gedeiht, weil sie die Wurzel des
Gedeihns, die göttliche Natur nicht achten, daß bei ihnen
eigentlich das Leben schaal und sorgenschwer und übervoll von
kalter stummer Zwietracht ist, weil sie den Genius verschmähn, der
Kraft und Adel in ein menschlich Thun, und Heiterkeit ins Leiden
und Lieb' und Brüderschaft den Städten und den Häußern bringt. Und
darum fürchten sie auch den Tod so sehr, und leiden, um des
Austernlebens willen, alle Schmach, weil Höhers sie nicht kennen,
als ihr Machwerk, das sie sich gestoppelt." [...] "Wo aber so
belaidigt wird die göttliche Natur und ihre Künstler, ach! da ist
des Lebens beste Lust hinweg, und jeder andre Stern ist besser,
denn die Erde." (Textauszug aus 'Hyperion oder der Eremit in
Griechenland')
"Wie der Sternenhimmel, bin ich still und bewegt." ('Hyperion')
"Ich würde Jahrtausende lang die Sterne durchwandern, in alle
Formen mich kleiden, in alle Sprachen des Lebens, um dir einmal
wieder zu begegnen. Aber ich denke, was sich gleich ist, findet
sich bald."
(Textauszug aus 'Hyperion oder der Eremit in Griechenland')
Für mich bedeutet diese Textpassage aus 'Hyperion' eine der
schönsten Liebeserklärungen aller Zeiten, denn sie beschreibt die
Liebe zwischen 'Hyperion' und seiner 'Diotima' über den physischen
Tod hinaus. Die unsterblichen Seelen, die ihre Ehe im Himmel mit
ihrem Seelenpartner geschlossen haben, finden sich im Zuge der
Reinkarnation früher oder später immer wieder. Hölderlin war sein
größtes Liebesglück auf Erden durch den plötzlichen Tod Susettens
nicht sehr lange vergönnt, dennoch war diese Liebe so rein und
intensiv, dass sie wohl für die Ewigkeit bestimmt zu sein scheint.
Spirituelle Themen, Glaube und Hoffnung, Gottvertrauen, das alles
sprach Hölderlin immer wieder in seiner Dichtung an.
Er wurde von klein auf mit dem Tod seiner Familienmitglieder
konfrontiert, zuerst sein Vater, eine Tante, sein Großvater
mütterlicherseits, vier von sechs Geschwistern, die bereits im
Kindesalter starben, sein Stiefvater.
Mir wurde von meiner Familie immer wieder gesagt, dass meine
Großmütter, meine Großtante sowie die Urgroßmütter einen
unverbrüchlichen Glauben an Gott und das ewige Leben hatten,
deshalb spricht mich aus den gesammelten Werken besonders
Hölderlins Gedicht 'Die Entschlafenen' an:
"Einen vergänglichen Tag lebt' ich und wuchs mit den Meinen,
Eins ums andere schon schläft mir und fliehet dahin.
Doch ihr Schlafenden wacht am Herzen mir,
in verwandter Seele ruhet von euch mir das entfliehende Bild.
Und lebendiger lebt ihr dort, wo des göttlichen Geistes Freude
die Alternden all, alle die Toten verjüngt."
('Die Entschlafenen')
Dieses Gedicht verwende ich manchmal für eine persönliche Grabrede
oder in einem Kondolenzbrief, weil ich es sehr schön und passend
finde. Hölderlin beschreibt darin den Tod als Beginn des
lebendigeren Lebens und der Jugend durch die Freude Gottes und
soll den Hinterbliebenen den Trost und die Hoffnung, im Grunde das
Urvertrauen der Menschheit in die Schöpfung vermitteln. Man hat
seine Lieben nicht für immer verloren, nur weil man sie nicht wie
gewohnt sehen, sprechen und fühlen kann, weil sie in anderen
Formen auf anderen Ebenen existieren. Eine geistige Verbindung
auch mit dem Herzen ist aber immer möglich. Damit beweist
Hölderlin schon früh seine große geistige Reife.
Wie erwähnt sind die sämtlichen Werke Hölderlins von 1826 nicht
mehr der Originalton Hölderlins. Das Foto, welches das 'Fragment
von Hyperion' zeigt, stammt aus Schillers Originalausgabe seiner
'Thalia' von 1793, vierter Teil, fünftes Stück. Schiller hatte in
dieser Ausgabe, die in Leipzig gedruckt wurde, auch Hölderlins
Gedicht 'Das Schicksal' veröffentlicht.
Dazu veröffentlichte Schiller 1797 in seiner Monatsschrift 'Die
Horen' Hölderlins Gedicht 'Der Wanderer' in der Cotta'schen
Buchhandlung zu Tübingen.
Diese Gedichte, die damals vor Hölderlins Einlieferung in die
Psychiatrie gedruckt wurden, hatte Hölderlin persönlich
überarbeitet und Schiller (zuvor auch Stäudlin im Rahmen des
Dichterbundes während der Studienzeit) für die Herausgabe
freigegeben. Seinen größten Erfolg bis nach Berlin feierte
Hölderlin mit der kompletten Originalausgabe des 'Hyperion' von
1797, die bis 1799 immer wieder ausgegeben wurde.
Seit meiner Kindheit habe ich einen Hang zur Nostalgie, besonders
zum 18. Jahrhundert. Wenn ich kreativ war, hatte ich Bilder im
Kopf von Burgen und Schlössern, altehrwürdigen Gebäuden,
Fachwerkhäusern und Kirchen, Gassen mit grobem Kopfsteinpflaster
oder nur mit Staub bedeckt, verschnörkelten Straßenlaternen, die
von den Nachtwächtern angezündet wurden, Damen im Rüschenkleid,
mit Hut, Handschuhen und Spitzenschirm, Pferdekutschen sowie
klarem Schnee, der die Straßen und Wege bis weit ins Frühjahr
bedeckt.
Als ich zum ersten Mal Tübingen besuchte, kamen mir solche Bilder
wieder in den Sinn, als hätte ich schon davon geträumt. Diese
Eindrücke kommen mir sehr familiär und vertraut vor. Aus dem Raum
Heilbronn, Ludwigsburg, Reutlingen und Tübingen stammen einige
gemeinsame Verwandte von mir und Hölderlin - vielleicht mag ich
deshalb besonders die Altstadt Tübingens.
Das obige Foto zeigt eine typische Postkartenansicht der Stadt
Tübingen, die im 19. Jahrhundert und später versendet wurde. Diese
abgebildete Postkarte wurde Ende Oktober 1904 einem Amtmann nach
Rottweil geschickt. So stelle ich mir Hölderlin vor, wie er auf
seinem Weg zur Vorlesung mit einem Buch unterm Arm durch den
Schnee stapft.
Auch eine helle Vollmondnacht und generell die Stille der Nacht
haben mir immer gefallen, weil ich vermutlich wie Hölderlin am
besten schreiben kann, wenn es ruhig um mich herum ist.
Das Gedicht 'Die Nacht' gehört daher ebenfalls zu meinen
Lieblingsgedichten Hölderlins:
"Rings um ruhet die Stadt. Still wird die erleuchtete Gasse,
Und mit Fackeln geschmückt rauschen die Wagen hinweg.
Satt gehn heim von Freuden des Tags zu ruhen, die Menschen,
Und Gewinn und Verlust wäget ein sinniges Haupt
Wolzufrieden zu Haus; leer steht von Trauben und Blumen,
Und von Werken der Hand ruht der geschäftige Markt.
Aber das Saitenspiel tönt fern aus Gärten; vielleicht, daß
Dort ein Liebendes spielt oder ein einsamer Mann
Ferner Freunde gedenkt und der Jugendzeit; und die Brunnen
Immerquillend und frisch rauschen an duftendem Beet.
Still in dämmriger Luft ertönen geläutete Glocken,
Und der Stunden gedenk rufet ein Wächter die Zahl.
Jetzt auch kommet ein Wehn und regt die Gipfel des Hains auf,
Sieh! und das Ebenbild unserer Erde, der Mond,
Kommet geheim nun auch, die schwärmerische, die Nacht
kommt,
Voll mit Sternen, und wol wenig bekümmert um uns glänzt
Die Erstaunende dort, die Fremdlingin unter den Menschen
Über Gebirgeshöhn traurig und prächtig herauf."
Das Bild zeigt eine kleine erleuchtete Gasse, aufgenommen in der
Altstadt von Tübingen in einer Vollmondnacht im Mai 2018.
Mit Hölderlin 2022 durch die Bad
Homburger Nacht spazieren...
Hölderlins Wunsch, die Nachwelt möge aus seinen
Schriften etwas für sich mitnehmen und noch lange von ihm
sprechen, scheint sich wohl zu erfüllen. 2020 ist das
Hölderlinjahr, das mit der Sanierung des Geburtshauses Hölderlins
in Lauffen am Neckar, einer 2017 in Nürtingen errichteten
Bronzestatue und der Wiedereröffnung des Turms zu Tübingen
gefeiert wird.
Das obige Foto zeigt das Hölderlin-Kreiselkunstwerk von Peter Lenk
(2003) in Hölderlins Geburtsstadt Lauffen am Neckar, das sein
Leben darstellt - vom Kind bis zum Dicher. Auch seine geliebte
Susette Gontard ist dort verewigt.
Das untere Foto zeigt in einem Ausschnitt den erwachsenen
Hölderlin links im Bild auf einer Schreibfeder sitzend.
Das unten stehende Bild zeigt die Hölderlin-Statue in seinem
Wohnort Nürtingen, wo Hölderlin mit seinen Geschwistern und dem
Stiefvater Christoph Gok aufgewachsen ist.
Hölderlin steht am Neckarufer und blickt auf die Kirche, wo
gegenüber das elterliche Wohnhaus steht, das jedoch nicht mehr in
der ursprünglichen Größe erhalten ist.
Die
im Jahr 2017 errichtete Bronzeplastik des im russischen
Krasnoturjinsk geborenen Bildhauers Waldemar Schröder, der
Hölderlin bewusst als jungen und lebensfrohen Mann darstellt, wie
man sagt, ist eine weitere sichtbare Hommage an den schwäbischen
Dichter.
Eine Plakette am Sockel besagt, dass dank der großzügigen Spende
des Rotary-Clubs Kirchheim/Teck - Nürtingen und der Unterstützung
von weiteren Privatpersonen Waldemar Schröder diese schöne Statue
erschaffen konnte.
Der Nürtinger Briefmarkenverein gab noch eine gesonderte
Briefmarke mit dem Bild der Bronzeplastik heraus, zusammen mit
einem Gedenkblatt und Umschlag.
Das unten stehende Bild zeigt eine Tafel an der Turmwand mit der
Inschrift "1807 - 1843, Hier lebte u. entschlief Hölderlin".
Grabstelle Hölderlins in Tübingen