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ISBN: 978-3-98913-082-1
Edition Winterwork
Inhaber Mike Winter
Carl-Zeiss-Straße 3
04451 Borsdorf (bei Leipzig)
Deutschland
Mike Winter und sein Team waren mit Hölderlin auf der Leipziger
Buchmesse vom 21. - 24. März 2024 vertreten.
"Mein Vorfahre Friedrich Hölderlin hat als Verfechter der
Demokratie und Freiheit und besonders als prominentes Opfer der
Kirche einen erstaunlich aktuellen Bezug zu heute."
~ Christine Doris Schmidt ~
"Meine Liebe ist das Menschengeschlecht …
die Freiheit muß einmal kommen ...
Dies ist das heilige Ziel meiner Wünsche und meiner Tätigkeit."
~ Friedrich Hölderlin ~
"Ich bin ein Mann von Grundsätzen!"
Diesen Satz schrieb Friedrich Hölderlin über sich selbst in einem
seiner Briefe. Seine Geradlinigkeit und Unbestechlichkeit sowie
sein überaus starker Wille haben sich wie ein roter Faden durch
sein ganzes Leben gezogen.
Im Sommer 1795, also in der besagten Zeit als Wilhelmine niederkam, wurde Freiherr Heinrich von Kalb laut offiziellem Taufbucheintrag am 12. Juni 1795 in Weimar Vater einer Tochter.
Das Foto zeigt die urkundliche Abschrift des Kirchenbuches der Familie von Kalb, die Emil Palleske in seinem Buch 'Charlotte' 1879 veröffentlichte. Die Tauf- und Sterbedaten decken sich mit den Abschriften der Kirchenbücher von Karina Kulbach-Fricke und Reinhold Albert.
Der Hölderlinturm befindet sich direkt am Neckarufer (Foto mit
der Abendsonne, die hinter Schloss Hohentübingen untergeht).
Hölderlin hatte einen wunderschönen Blick ins Grüne, was sein
Dichterherz zeitlebens inspirierte.
Im Frühjahr und Herbst hängen morgens die Nebel über dem Wasser
und verleihen der Flusslandschaft eine mystische Aura. Bis zum
Mittag dringen die Sonnenstrahlen durch. Das Sonnenlicht spiegelt
sich auf den Neckarwellen und wird an die Decke von Hölderlins
Zimmer geworfen. Im Hochsommer wurde Hölderlin schon früh von der
Morgensonne geweckt. Oftmals stand er aber sogar schon vor
Sonnenaufgang auf.
20. März 1770 Johann Christian Friedrich Hölderlin kommt in Lauffen am Neckar als erstgeborenes Kind des Klosterhofmeisters Heinrich Friedrich Hölderlin und der Pastorentochter Johanna Christiana Heyn zur Welt.
05. Juli 1772 Hölderlin wird mit dem plötzlichen Tod seines Vaters konfrontiert, der einen Schlaganfall erleidet. Die Mutter verwaltet seitdem Hölderlins Erbe und erzieht ihn im pietistischen Sinne. Noch vor seiner Einschulung verpflichtet ihn seine Mutter der Kirche. Hölderlin soll wie sein Großvater Andreas Heyn Pfarrer werden, was er jedoch zeit seines Lebens ablehnt. Vielmehr fühlt er sich zum Dichter berufen.
Das Foto links zeigt das Hölderlindenkmal in der öffentlichen Gartenanlage des ehemaligen Klostergeländes in Lauffen am Neckar, wo Besucher gerne Blumen ablegen.
Das Foto links zeigt das Geburtshaus Hölderlins, das aufwändig saniert wurde und am 20. März 2020 eingeweiht werden sollte. Leider musste durch die angespannte Gesundheitssituation im Lande u.a. diese geplante Veranstaltung abgesagt werden. Die Bauarbeiten waren im August 2020 noch nicht ganz abgeschlossen.
22. September 1774Wiedervermählung der
Mutter Johanna mit Johann Christoph Gok in Nürtingen, der für
Hölderlin ein lieber Ersatzvater wird. Gok betreibt in Nürtingen
Weinhandel und auch wie meine Vorfahren Landwirtschaft.
Christoph Gok ist Kammerrat und wird zu einem späteren Zeitpunkt
auch dritter Bürgermeister der Stadt Nürtingen.
Hölderlins Halbbruder Karl (1776-1849), das erstgeborene Kind in
zweiter Ehe mit Christoph Gok, gab gesammelte Werke Hölderlins beim
Verleger Cotta in Auftrag.
1776 - NürtingenDas abgebildete
Wohnhaus von Hölderlins Mutter Johanna, die mit ihrem zweiten
Ehemann Christoph Gok in Nürtingen dort einzieht, wurde im Jahr 1776
auf dem ehemaligen Schlossareal durch Hölderlins späteren
Lateinschullehrer Johann Georg Fischer erbaut, worüber eine
Gedenktafel am Haus Auskunft gibt. An der Stelle des heutigen
Hölderlinhauses stand einst der sogenannte Schweizerhof.
Desweiteren steht dort geschrieben, dass von 1798 bis 1802 die
Mutter zusammen mit Hölderlins Schwester Heinrike Breunlin in diesem
Haus wohnte.
Von 1826 bis 1832 bewohnten Eduard Mörikes Mutter und Geschwister
das Dachgeschoss. Mörike kam regelmäßig zu Besuch und ihm gefiel
besonders die Lage, was er in seinem Brief an Wilhelm Hartlaub
schrieb.
1776/1777Hölderlin wird eingeschult, besucht zunächst die Lateinschule in Nürtingen und erhält Privatunterricht in Latein, damit er für die höhere Schulbildung, das Landesexamen, zugelassen wird.
13. März 1779 Johann Christoph Gok stirbt an Lungenentzündung, die er sich zugezogen hatte, als er zuvor bei einem Hochwasser in Nürtingen in seiner Funktion als Bürgermeister mit vollem Körpereinsatz mithalf, das Städtchen mit Dämmen vor den Fluten des Neckars zu schützen und sich dabei erkältete - für Hölderlin und die Mutter ein weiterer schmerzlicher Verlust. Hölderlin sah seine liebe Mutter Johanna eigentlich nur noch weinen, deshalb wollte er ihr ja auch keinen weiteren Kummer bereiten, aber sein Drang, sich geistig frei zu bewegen, war dennoch größer als seinen Dienst nach Vorschrift zu machen.
Diese Gedenktafel wurde anlässlich des 200. Geburtstages Friedrich
Hölderlins in Nürtingen neben der Kreuzkirche am Brunnen errichtet.
Auf dem Kirchhof der Kreuzkirche befanden sich früher die Gräber der
Mutter Johanna und des Stiefvaters Christoph Gok.
Hölderlins Schwester Heinrike verstarb 1850 ebenfalls in Nürtingen.
Das Foto zeigt die am Fuße der Schwäbischen Alb gelegene
Karstquelle der Blau, den berühmten türkisblauen 'Blautopf' in
Blaubeuren bei Ulm, wo Hölderlins Schwester Heinrike (1772-1850)
nach ihrer Hochzeit mit Pfarrer Breunlin und ihren Kindern lebte und
wirkte, bevor sie nach dem Tod ihres Mannes nach Nürtingen zu ihrer
Mutter Johanna zog.
20. Oktober 1784 Hölderlin besucht von nun an die Klosterschule in Denkendorf. Damals hatte er bereits viele kreative Ideen im Kopf. Um die Weihnachtszeit 1785 verspürte er eine besonders große Lust zu dichten und begann, "tausend Entwürfe zu Gedichten" zu planen.
15. März 2020 Zu Hölderlins 250.
Geburtstag wurde ihm der Hölderlin-Brunnen auf dem Klosterareal
gewidmet. Die Gedenktafel besagt, dass Hölderlin von 1784 bis 1786
als Seminarist eingeschrieben war.
Ein Auszug aus seinem Gedicht Die Heimath von 1797 steht
dort ebenfalls geschrieben:
"Ihr holden Ufer, die ihr mich auferzogt,
Stillt ihr der Liebe Leiden? ach! gebt ihr mir,
Ihr Wälder meiner Kindheit, wann ich
Komme, die Ruhe noch Einmal wieder?"
Im Herbst 1786Hölderlin zieht in das Kloster Maulbronn ein, wo er schon bald mit Luise Nast, der jüngsten Tochter des Klosterverwalters, bekannt gemacht wird. Als heranwachsender Klosterschüler und zukünftiger Pfarrer soll sich Hölderlin langsam aber sicher eine Braut suchen, was sich für Hölderlin jedoch als schwierig erweist. Hölderlin und Luise Nast mochten sich zwar schon, aber in Hölderlin kamen alsbald starke Zweifel auf, weil er sich nunmal kein Leben als Pfarrer und Familienvater vorstellen konnte, und schon gar nicht in so jungen Jahren. Ihn hat es vielmehr in die Welt gezogen, um sich von Land und Leute für seine Gedichte inspirieren zu lassen.
Hölderlin begann zu hadern und fragte Gott, ob dieser eingeschlagene
Weg tatsächlich der Wille seines Herrn sein sollte. Immer wieder
dachte er daran, aus dem Kloster auszutreten und wollte das mit der
Mutter besprechen, die ihn aber immerzu zum Bleiben überredete.
Luise bekam Hölderlins Missmut zu spüren, wofür er sich bei ihr
entschuldigte, weil es ja nicht an ihr lag. In der Zeit in Maulbronn
verfasste er für Luise ein paar liebe Gedichte, aber dennoch sträubte
er sich generell gegen den vorgezeichneten Weg.
Hölderlin machte zunächst gute Miene und ließ die Zeit für sich
arbeiten.
Anfang Dezember 2016 besuchte ich das Kloster Maulbronn mit seinem mittelalterlichen Weihnachtsmarkt. Einen Besuch ist Kloster Maulbronn als UNESCO-Weltkulturerbe immer wert. Das große Interesse von uns heutzutage hätte sich Friedrich Hölderlin zusammen mit Hermann Hesse (1877-1962) und Johannes Kepler (1571-1630) wohl nicht träumen lassen.
Im Juni 1788Hölderlin reist von Maulbronn über Bruchsal in die Pfalz nach Speyer und Oggersheim, wo sich 1782 Schiller, der daheim Schreibverbot hatte, in einem Gasthof versteckte. Hölderlin besucht die Porzellanmanufaktur in Frankenthal sowie Mannheim (meine Geburtsstadt) mit der Jesuitenkirche und dem großen Kaufhaus am Paradeplatz - Gebäude, die Hölderlin am meisten beeindrucken; Mannheim, wo er der Vorstellung 'Der Fähnrich' im alten Nationaltheater beiwohnt und sich das lokale Bier schmecken lässt. Im alten Nationaltheater wurde Schillers 'Die Räuber' 1782 uraufgeführt. Hölderlin wandelt also auf Schillers Spuren und empfindet diese Reise als sehr erhebend. Das Mannheimer Barockschloss ist Hölderlin zu protzig, aber die Jesuitenkirche mit den Gemälden und reichen Verzierungen im Innern bezeichnet er als würdevoll.
Der Dom zu Speyer ist das höchste und mächtigste Bauwerk, das
Hölderlin bislang besucht hat.
Hölderlin beobachtet sehr interessiert die geschäftigen Leute in
Lussheim bei Speyer, wie sie auf dem Rhein Schiffe beladen. Das Foto
zeigt den Dom von Baden-Württemberg aus gesehen. Aus einer ähnlichen
Perspektive in Lussheim dürfte sich der Dom Hölderlin aus der Ferne
präsentiert haben, als Hölderlin mit einem Boot über den Rhein auf
das linksrheinische Ufer nach Speyer übersetzt. Wenn ich mich recht
erinnere, kostete die Überfahrt 24 Kreuzer. Das Papier, worauf
Hölderlin seiner Mutter diese Reisekosten genau auflistete, ist im
Schiller Nationalmuseum Marbach zu sehen.
Auch war Charlotte von Kalb vom Dom sehr angetan, als sie mit Madame
de La Roche, die sie in Mannheim 1785 kennenlernte, zum Namenstag
dort den Gottesdienst besuchte.
Schwetzingen und die damals neue Brücke in Heidelberg gehören auch zu den Orten auf Hölderlins Reise. Besonders Heidelberg gefällt ihm und er verfasst sein berühmtes Gedicht 'Heidelberg', nennt die Stadt am Neckar "der Vaterlandsstädte Ländlichschönste". Auch von der Weite der Rheinebene mit Blick nach Frankreich ist Hölderlin genauso wie ich fasziniert.
Im Kloster Maulbronn und im Evangelischen Stift zu Tübingen wird
Hölderlins Lebensweg immer enger, steiler und steiniger, dennoch mit
Momenten der blühenden Hoffnung begleitet.
Die vorgezeichnete Laufbahn führt ihn in eine Richtung, der er sich
immer stärker entgegenstellt.
Was wird ihn am Ende erwarten?
Mit Luises Cousin Immanuel Nast pflegt Hölderlin eine gute
Freundschaft sowie auch mit dem Kunststudenten, dem angehenden Maler
Franz Carl Hiemer, dem wir das allseits bekannte Gemälde Hölderlins
verdanken, das Hölderlin seiner Schwester Heinrike zur Hochzeit mit
Pfarrer Breunlin schenkte. Das Original-Pastell Hölderlins befindet
sich heute im Schiller-Nationalmuseum in Marbach (siehe Foto), das
ich 2017 mit eigenen Augen bestaunen durfte. Da ich selbst seit
jeher gerne male und zeichne, sind mir die äußerst filigranen
Farbstriche Hiemers aufgefallen.
Desweiteren sah ich auch die Gemälde der Mutter Johanna, des Vaters
Heinrich Hölderlin, der Elisabeth Juliane Hölderlin und Theodor
Heussens. Franz Carl Hiemers Portrait war leider gerade ausgeliehen.
21. Oktober 1788 - Evangelisches Stift zu
Tübingen In Tübingen zieht Hölderlin mit Hegel und
Schelling ins Evangelische Stift und sie beginnen ihr Studium.
Anfangs wohnt Hölderlin mit bis zu sechs weiteren Studenten in einem
sehr zugigen Zimmer. Er beklagt sich bei der Mutter und hofft, sie
könne erwirken, dass Hölderlin in ein wärmeres Winterquartier
umziehen dürfte. Von 1790 bis 1793 teilt sich Hölderlin dann mit
Hegel und Schelling ein Zimmer im Studentenwohnheim.
Als Hölderlin im Herbst 1788 sein Theologiestudium beginnt, soll er
sich im kommenden Frühling verloben. Hölderlins Verlobungsfeier mit
Luise findet bei Familie Benjamin Nast in Leonberg statt, doch kurz
danach macht Hölderlin im April 1789 ohne Vorwarnung Schluss. Er
schreibt Luise einen Brief zur Erklärung. Offiziell ist Luise mit
der Lösung des Eheversprechens einverstanden, hatte sie es wohl auch
schon kommen sehen.
Immanuel Nast beendet seine Freundschaft mit Hölderlin. Luise Nast heiratet wenig später einen anderen, was Hölderlins Mutter ihrem Sohn in einem Brief mit einem gewissen Vorwurf mitteilt. Hölderlin ist aber froh, dass der Kelch an ihm vorübergegangen ist. Die Heirat Luisens ist für Hölderlin vielmehr der Anlass, den bewussten Entschluss zu fassen, sich niemals verheiraten zu lassen. In seinen Büchern fände er genug Trost, wie er sagt.
Das Foto zeigt rechts die hohe Mauer des Tübinger Stifts. Der Weg führt hinunter zum Neckar, wo sich der Hölderlinturm befindet. Hölderlin ist auch diesen Weg wohl unzählige Male gegangen.
Hölderlin musste genauso wie seine Kommilitonen Hegel und Schelling
im Evangelischen Stift zu Tübingen damals jegliche Art von
Annehmlichkeiten entbehren. Alles war verboten, was Freude machte,
wie Schlittenfahren im Winter, Reiten im Sommer, Rauchen, Alkohol
(außer der üblen Tischwein-Plörre), selbst Kaffee oder schwarzen Tee
zu trinken war untersagt, weil auch diese Getränke zu anregend
waren, wie Adolf Beck Hölderlins Studienjahre beschrieb.
Natürlich hatten die Stiftler als angehende Pfarrer mit ihren
Verlobten auch keinen vorehelichen Sex, denn damals war die
Sittenlage höchst streng - das können sich heute manche Leute gar
nicht vorstellen.
Hölderlin wohnte also anfangs mit sechs weiteren Studenten in einem
Zimmer, wo es durch die Ritzen im Winter hereinschneite. Der
Hausmeister hatte auch nur dann die Fäkalien in den Gängen
zusammengekehrt, wenn es kaum noch ein Durchkommen gab und der
Gestank selbst für Hartgesottene zu groß wurde, wie man mir 2018 auf
der Hölderlin-Tagung im Evangelischen Stift erzählte.
Dagegen sieht Hölderlins ehemaliges Refugium bei seiner Pflegefamilie
im Turm heutzutage aus, als hätte er ein Luxus-Apartment an der
italienischen Riviera bewohnt. Für damalige Verhältnisse war seine
Wohnlage sicherlich privilegiert. Tübingen im Hochsommer erinnert
heute in der Tat an Italien, was mir auch ein Germanistik-Professor
aus Mailand erfreut bestätigte.
Hölderlin war Frauen gegenüber charmant und höflich. Natürlich
registrierte er, ob eine Frau schön und attraktiv war, und erwähnte
dies auch in seinen Briefen, wie im Falle der "holden Gestalt", bei
der alle rätseln, wen Hölderlin gemeint haben könnte. Das heißt aber
nicht, dass Hölderlin seine gute Erziehung und die strengen
Sittengesetze vergessen hätte. Frauen sollten seine Nettigkeiten und
höflichen Umgangsformen auch nicht überbewerten.
Als Hölderlin seine Hauslehrerstelle in Bordeaux antrat, ärgerte sich
Hölderlins Freund Christian Landauer über das hirnrissige Geschwätz
der Leute daheim in Stuttgart, die Hölderlin unterstellten, nur nach
Frankreich gegangen zu sein, um dort zügellose Sexabenteuer zu suchen.
Auch leben manche Roman-Autoren bis heute ihre sexuellen Fantasien
aus, wenn sie Hölderlins Reisen und Aufenthalte beschreiben. Aber das
nur am Rande bemerkt. Das alles hat mit der harschen Realität des
18./19. Jahrhunderts nichts zu tun.
Der Mutter hätte es aber sehr wohl gefallen, wenn Hölderlin Vater und
durch eine Heirat sesshaft geworden wäre, weil er ein anständiges Weib
am Herd an seiner Seite gehabt hätte. Als Witwe war Wilhelmine absolut
gesellschaftsfähig, jedenfalls eine bessere Partie als eine
geschiedene Frau (wie die Frau seines Schulfreundes Schelling) und
nicht beschämend wie eine heimliche, verbotene Liäson mit einer
verheirateten Frau (Bankiersgattin Susette Gontard).
Charlotte von Kalb hatte Hölderlin nicht wegen Unzucht rausgeworfen,
sondern Hölderlin hatte seine erste Hauslehrerstelle von selbst
gekündigt, weil ihm sein Zögling den letzten Nerv raubte und er sich
in Ruhe auf seine Dichtung konzentrieren wollte. Das Studium in Jena
und die Zusammenarbeit mit Schiller war von langer Hand geplant.
Hölderlin erwähnte schon im Frühjar 1794, dass er im Herbst mit seinem
Zögling Fritz nach Jena gehen wolle. Im Oktober 1794 schrieb Hölderlin
seinem Freund Neuffer, dass er ab November in Jena Vorlesungen an der
Uni besuchen werde. Anfang November schrieb Hölderlin tatsächlich aus
Jena und teilte Neuffer seine neue Adresse mit (Gr. StAg, 6-1, S.
138).
Das Foto zeigt die St. Georgskirche in Waltershausen. Dahinter
befindet sich das Schloss der Familie von Kalb.
Wenn Hölderlin der Vater von Wilhelminens Tochter gewesen wäre, dann
hätten er und Wilhelmine, sobald sie wusste oder ahnte, dass sie
schwanger war, sich noch mithilfe der Herrschaften von Kalb als
Trauzeugen gleich nebenan in der Kapelle im Grabfeld auf Schloss
Waltershausen bei Nacht und Nebel schnell vom Dorfpfarrer Nenninger
trauen lassen müssen, ohne dass jemand in Waltershausen/Meiningen
eine uneheliche Schwangerschaft überhaupt bemerkt hätte, die sonst
hätte angezeigt werden können. Das Ehepaar von Kalb hätte sich sonst
dann auch der Kuppelei öffentlich schuldig gemacht. Wilhelmine in
eine neue Stelle bei Fremden zu schicken, hätte das
Schwangerschaftsproblem nicht gelöst. Fremde Familien hätten keine
schwangere Single-Frau eingestellt, wie Pierre Bertaux glaubte, denn
sonst wären die Sittenwächter gleich vor der Tür gestanden.
Charlotte von Kalb hatte Hölderlin mit Wilhelminens angeblich neuer Stelle in Meiningen angelogen, damit niemand die heimliche Geburt des unehelichen Kindes in Weimar mit Wilhelmine in Verbindung bringt. Da Hölderlin ja auch gar nicht der Vater war, gab es deshalb keinen Grund, Hölderlin einzuweihen. Der Vater des Kindes der Wilhelmine Kirms kann nur Freiherr Heinrich von Kalb persönlich sein. Laut Taufbucheintrag im Kirchenregister zu Weimar wurde Freiherr von Kalb am 12. Juni 1795 als Vater einer Tochter eingetragen, also in dem besagten Zeitraum, als Wilhelmine Kirms niedergekommen sein musste. Wäre Hölderlin der Vater, dann hätte der Major nicht das Kind seiner Domestiken in seinen Stammbaum als sein eigenes Fleisch und Blut aufgenommen. Das Ehepaar von Kalb hatte alle Hände voll zu tun, verräterische Spuren der adeligen Schande zu verwischen.
1788 bilden die Stiftler Friedrich Hölderlin, Christian Ludwig Neuffer und Rudolf Friedrich Heinrich Magenau einen Dichterbund. 1792 erzählt Hölderlin Magenau von seinem Plan, den 'Hyperion' zu schreiben, wozu Magenau ihn noch ermuntert. Gotthold Friedrich Stäudlin, der Hölderlin entdeckt und fördert, veröffentlicht in seinem Musenalmanach des Jahres 1792 erstmals vier Gedichte Hölderlins. Im September 1793 lobt Stäudlin Hölderlins 'Hyperion' und bezeugt "die schöne Sprache" und "das Lebendige der Darstellung". 1793 lernt Hölderlin auch den Jura-Studenten Isaac von Sinclair kennen, mit dem er 1795 kurze Zeit in Jena und nach dem Tod Susettens in Homburg wohnen wird (aus: Adolf Becks Hölderlin - Chronik seines Lebens).
Das Foto zeigt das Wohnhaus des Verlegers Johann Friedrich Cotta
(ab 1822 Freiherr von Cotta) im Stadtkern Tübingens, in dem laut
einer Gedenktafel an der Hauswand Goethe vom 07. bis zum 16.
September 1797 zu Gast war.
1797 druckte Cotta Hölderlins kompletten Briefroman 'Hyperion oder
der Eremit in Griechenland'.
Auf der Stuttgarter Antiquariatsmesse durfte ich eine Erstausgabe in
Händen halten, welche mittlerweile im unteren fünfstelligen Bereich
gehandelt wird. Meiner Ansicht nach gehören solche Schätze in ein
Museum, das beste Lagerungsbedingungen hat, um das Papier vor dem
Zerfall zu retten.
1793 berichtet Stäudlin Schiller von Hölderlins Schreibtalent und empfiehlt ihm, Hölderlin unter seine Fittiche zu nehmen. Daraufhin schlägt Schiller der Freifrau Charlotte von Kalb (Schillers Ex-Geliebte) aus dem fränkischen Waltershausen bei Meiningen Hölderlin mit gewissen Vorbehalten vor, als sie für ihren neunjährigen Sohn Fritz einen Privatlehrer (veraltet: Hofmeister) sucht. Schiller, der durch eine Intrige des Freiherrn von Kalb dessen Ehefrau Charlotte von Kalb als ihr früherer Liebhaber wegen Charlotte von Lengefeld schnöde sitzenließ, hat bei Charlotte von Kalb wohl noch etwas gut zu machen. Schiller schwärmt Charlotte vor, dass ihr Hölderlins "Äußeres sicher gefallen" werde, wie Adolf Beck es in seinem Buch beschrieb.
Das Foto zeigt das alte Bamberger Rathaus.
Am 26. Dezember 1793 schreibt Hölderlin seiner Mutter aus Coburg,
als er auf dem Wege von Stuttgart nach Waltershausen war, um seine
erste Hofmeisterstelle bei den Herrschaften von Kalb anzutreten.
Wegen des streckenweise schlechten Weges war er etwas verspätet.
Seine Reisekosten erstatteten ihm die Herrschaften von Kalb, was
Hölderlin seiner Mutter gleich nach seiner Ankunft mitteilte.
Am 30. Dezember 1793 beschreibt Hölderlin seinen Freunden Stäudlin
und Neuffer seine Reiseroute per Postwagen: "Über meine Reise von
Stuttgart bis Nürnberg kann ich euch nichts sagen. Ich schloß meist
die Augen, und ließ euch, und was mir sonst lieb ist, vor mir
erscheinen.
In Nürnberg lebt' ich auf. Mit HE. Ludwig wurd ein rechtes gespaßt,
und getumultuirt. Zum Journal will er nur wenig beitragen, weil ihm
seine Englischen Blätter so viel zu schaffen machen. Er verspricht,
einen Verleger für das Journal aufzubringen, wenn er wie er sich
ausdrükte, eine recht beträchtliche Anzal von Mitarbeitern aufweisen
können werde. Sein Mund ist leibhaftig die Posaune des Egoismus.
Übrigens war ich, wie gesagt, recht vergnügt mit ihm. Dienstags (denn
Sonntags kam ich in Nürnberg an) fuhr ich nach Erlang hinüber und
feierte da den Christtag in der Universitätskirche, wo Prof. Ammon
eine herrliche schön und hell gedachte Predigt hielt, womit er
wenigstens zehen Scheiterhaufen und Anathema's verdiente. Mittwoch
Abends reist' ich wieder von Erlangen ab, kam spät nach Mitternacht in
Bamberg an, auf einem verdamt kalten und unsichem Wege, wo man uns
wegen den Diebsbanden in den Wäldern einen Husaren entgegenschikte.
Von Bamberg bis Koburg, wo ich Donnerstag Abends ankam, hatt' ich den
ganzen Tag über das himmlische Thal, das von der Ize durchflössen
wird, vor und hinter mir. (Im Vorbeigehen! in ganz Franken bemerkt'
ich zu meinem großen Verdrusse, wie ihr denken könnt, laute
Unzufriedenheit mit der woltätigen preußischen Regierung […] In Koburg
reist ich Freitag Morgens um 3 Uhr mit Extrapost ab, und kam Abends
hier an, traff an HE. Major von Kalb, (der in französischen Diensten
war, und unter Lafaiette den Amerikanischen Krieg mitmachte,) den
humansten gebildetsten Mann, eine Freundin [Wilhelmine] der Frau von
K. [Charlotte], die noch mit zwei Kindern [Edda und der im Oktober
1793 geborene August Wilhelm] in Jena ist, meinen künftigen Zögling
[Fritz], einen schönen guten Buben, aber auch noch den Hofmeister an,
der, wie das ganze Haus, noch kein Wort von meiner Ankunft wußte, und
mich ungeachtet seines klugen edlen Benehmens in große Verlegenheit
sezte. Sprechen Sie doch mit Schiller über dieses, lieber Doktor ! Der
Major tröstet mich so gut er kann über die gespannte Lage." (Gr. StAg,
6-1, S. 100f)
Das Foto zeigt den Marktplatz von Bad Königshofen mit dem Rathaus
links.
Hölderlin hatte in seiner Zeit als Hofmeister im Schloss
Waltershausen auch dieses schöne Städtchen auf eigene Faust
erkundet. Immer wieder hatte er sich eine kleine Auszeit genommen.
Er wanderte gerne allein durch die Landschaft, oftmals nach Römhild,
um mit sich allein und "unabhängig von der Welt" zu sein, wie er
schrieb.
Hölderlin kommt im Schloss Waltershausen an, was die Schlossbewohner
zunächst verwundert. Die Schlossherrin und Gattin des Freiherrn
Heinrich von Kalb, Charlotte von Kalb, die im Oktober 1793 ihr viertes
Kind, ihren zweiten Sohn August Wilhelm, in Jena gebar, kam erst im
März 1794 wieder zurück ins Schloss. Die Geburt war mit großen
Komplikationen verlaufen, daher brauchte sie ein halbes Jahr für ihre
Genesung und hatte Hölderlin als neuen Hauslehrer für ihren
neunjährigen Sohn Fritz nicht im Schloss ankündigen können.
Der arbeitslose Schlossherr Heinrich von Kalb, ehemals Major im
französischen Fremdenregiment Zweibrücken (Königliches
Infanterieregiment Zweibrücken - Régiment Royal Deux Ponts), weilt mit
der Lausitzer Gesellschafterin Wilhelmine Kirms und den anderen
Bediensteten daheim im Schloss und langweilt sich, seit er im Zuge der
Französischen Revolution als deutscher Adeliger vor den Jakobinern
fliehen musste, die ihm vorwarfen, dem französischen König 1791 zur
Flucht verholfen zu haben. Das deutsche Regiment hatte Kalb auch nicht
mehr verpflichtet, sodass er vom Familienvermögen seiner Frau
Charlotte leben muss und genug Zeit hat, mit Hölderlin unbedingt auf
die Jagd gehen zu wollen, um ihm das Schießen beizubringen. Hölderlin
ist davon weniger begeistert und froh, dass er bislang noch nicht
einmal einen Hasen geschossen hat.
Als ich 2018 das Schloss Waltershausen besuchte, zeigte mir der
Schlosseigentümer Herr Dr. Möbius eine Tür, die in den Kerker führte,
und erzählte, dass früher die Delinquenten dort einsaßen und auf ihren
Prozess warteten. Sie wurden dann zum Gericht nach Bad Königshofen
überstellt. Auf Mord stand die Todesstrafe.
Insgesamt hatte Freiherr Heinrich von Kalb wohl mindestens 7 Kinder (3
eheliche und 4 uneheliche), von denen wir heute zumindest wissen. Wer
weiß schon, was er sonst auf seinen Feldzügen durch Amerika oder im
Zuge seiner Tätigkeit als Offizier in seiner französischen Garnison im
Pfälzischen Landau noch für Geheimnisse mit sich herumschleppte, die
ihn letztlich zum Suizid veranlassten.
Das Foto zeigt das Schloss Waltershausen im fränkischen Saal a.d.
Saale unweit der thüringischen Landesgrenze und der Stadt Meiningen.
Im September 2018 hatten mich die Schlosseigentümer
freundlicherweise durch das Schloss, die Privaträume und den großen
Garten geführt.
Auch Hölderlins Zimmer in einem der Schlosstürme (Foto) mit Blick
über die Baumwipfel nach Thüringen wurde mir gezeigt.
Hölderlin schrieb, dass er ein sehr schönes Zimmer hätte. Ja, ich
finde auch, dass es eigentlich sogar das schönste und gemütlichste
Zimmer im Schloss ist, das meine kreative Ader auch gleich
angesprochen hat.
So kann ich mir gut vorstellen, dass Hölderlin anfangs eine gute
Aura hatte, um am 'Hyperion' weiterzuschreiben. Wäre da nur nicht
die ganze Unbill mit seinem Zögling Fritz gewesen, die Hölderlin
seine Lust zu dichten beinahe völlig vergällt hatte, sodass er nach
einem Jahr kündigte.
Der Ortsteil Waltershausen liegt in einer sehr ländlichen Gegend
wie man auf dem Foto sieht und kann leicht mit Waltershausen bei
Gotha verwechselt werden.
"Das Schloß liegt über dem Dorfe auf dem Berge, und ich habe eines
der angenemsten Zimmer. Auch sind die Menschen hier, so viel ich sie
bisher kennen lernen konnte, recht guter Art. Mit dem Pfarrer
besonders bin ich schon recht gut Freund. Ich möchte unter solchen
Umständen in keine Stadt. Die Pferde des Majors kann ich benüzen,
wann ich will.", schreibt Hölderlin seiner liebsten Mamma. (Gr.
StAg, 6-1, S. 102)
Hölderlin freut sich also zunächst über großzügige Gesten seines
Brotgebers, des Freiherrn Heinrich von Kalb, der ihm dessen Pferde zur
freien Verfügung stellt. Hölderlin darf ausreiten, wann er will, und
schreibt, dass er den Major wohl einen Freund nennen dürfe. Mit dem
Dorfpfarrer pflegt Hölderlin auch gerne mal ein Bier zu trinken,
welches ihm recht gut schmeckt, sodass Hölderlin seinen Neckarwein gar
nicht so sehr vermisst. Er kniet sich richtig in die Vorbereitung des
Unterrichts, um seinem Zögling Fritz von Kalb die bestmögliche Bildung
und Erziehung zukommen zu lassen. Im kommenden Herbst (1794) will
Hölderlin mit seinem Zögling nach Jena gehen, um sich an der
Universität einzuschreiben und mit Schiller noch enger
zusammenzuarbeiten. Seinen Job als Erzieher wird Hölderlin dann auch
weiterhin brauchen, um in Jena das Brot über Nacht zu haben. Alles in
allem fühlt sich Hölderlin zum ersten Mal frei und unbeschwert. Er ist
froh, den Zwängen der Kirche vorerst den Rücken gekehrt zu haben und
hegt große Hoffnungen, als Dichter durchstarten zu können.
Charlotte von Kalb pflegt eine Freundschaft mit Goethe und Schiller und fördert junge brotlose Künstler wie Jean Paul, mit dem sie nach Schiller Jahre später ebenfalls eine Affäre beginnt. Im Gegensatz zu ihrem Gatten Heinrich von Kalb, der als ungehobelter Haudegen gilt und sie nur wegen ihres Geldes geheiratet hatte, hat sie einen Sinn für die Literatur bzw. Poesie und hegt selbst schriftstellerische Ambitionen. Um ihrer Zwangsehe zeitweise zu entfliehen, sucht sich Charlotte ihre Liebhaber gerne in Dichterkreisen, wollte sie sich schon nach der Geburt ihrer früh verstorbenen Tochter Adelheid Antoinette Sophia, die 1786 auf dem Höhepunkt der leidenschaftlichen Beziehung zu Schiller das Licht der Welt erblickte, von ihrem Mann Heinrich trennen. 1787 erwog Charlotte sogar die Scheidung und machte Schiller einen Heiratsantrag, was dieser jedoch ablehnte.
Das Foto zeigt Goethes Wohnhaus in Weimar.
Charlotte ist eher selten im Schloss und genießt das
gesellschaftliche Leben in Weimar mit literarischen Abenden und
Empfängen, trifft Persönlichkeiten wie Charlotte von Stein, die
Herzogin Anna Amalia und Johann Gottfried Herder, die für ihre
Kinder sogar Taufpaten waren.
Charlotte von Kalb, "die Majorin", wie Hölderlin sie auch nennt,
will natürlich auch Hölderlin fördern und gewährt ihm genügend
Freizeit, in der er an seinen Texten arbeiten kann, besonders am
'Hyperion'. Sie stellt Hölderlin in Aussicht, ihn mit Goethe,
Herder, Wieland und anderen Persönlichkeiten bekannt zu machen.
Es klingt alles zu schön, um wahr zu sein. Die anfängliche Euphorie
Hölderlins weicht ziemlich bald der Ernüchterung, als Hölderlin
feststellen muss, dass auch das Leben außerhalb der Kirche voller
Zwänge ist.
Im Schloss Waltershausen sieht sich Hölderlin mit Unsittlichkeit und
Unmoral konfrontiert, allein schon durch das auffallend ungehorsame
Verhalten seines Zöglings Fritz, auf den Hölderlin Tag und Nacht
aufpassen muss und er deshalb seiner wohlverdienten Nachtruhe beraubt
wird, damit Fritz sich nicht unsittlich benehme. Heinrich von Kalb
warnt Hölderlin schon vor, dass Fritz onaniere und der vorherige
Hofmeister bereits seine liebe Not hatte, Fritz teilweise mit Schlägen
zum Gehorsam zu zwingen. Auch Hölderlin kann es Fritz nicht
abgewöhnen, was Hölderlin zunehmend frustriert. Hölderlin beschreibt
seine erfolglosen Erziehungsversuche im Sommer 1794 bereits als
"Perlen vor die Schweine" und konstatiert, dass Fritz von Kalb keine
Lehrer, sondern Ärzte bräuchte. Nach der Kündigung Hölderlins musste
sich Fritz später tatsächlich einer ärztlichen Behandlung unterziehen,
denn die Selbstbefriedigung galt im 18. Jahrhundert als
gesundheitsschädlich, wenn nicht sogar als tödlich.
Langsam aber sicher erkennt Hölderlin auch, wie sehr die Herrschaften
ihre Machtposition gegenüber ihren Bediensteten ausnutzen.
Hölderlin schreibt seinem Freund Neuffer, dass Wilhelmine "eine
schlechte Mutter" habe und "ein Schicksal". Sie tut ihm sehr leid.
Wilhelminens Mutter, die aus einfachen Verhältnissen stammt, ist durch
ihre dritte Ehe mit einem irischen Baron gesellschaftlich und
finanziell aufgestiegen, könnte ihre Tochter finanziell unter die Arme
greifen und mit einem reichen Mann erneut verheiraten. Sie überlässt
jedoch ihre Tochter dem Schicksal und schickt Wilhelmine als
Gouvernante zur Familie von Kalb, wohlwissend, dass Wilhelmine für
ihren Lebensunterhalt selber sorgen und sich ihrem Brotgeber Heinrich
von Kalb fügen muss. Da Wilhelminens Stiefvater irische Wurzeln hat,
erklärt vielleicht, warum Wilhelmine neben Französisch auch sehr gut
Englisch spricht. Man kann nur erahnen, inwieweit Hölderlin
tatsächlich miterlebt, wie sich eine so kluge und gebildete junge Frau
wie Wilhelmine als Unterhalterin verdingen und vor allem den
gelangweilten Schlossherrn bei Laune halten muss. Dem arbeitslosen
Major von Kalb macht dazu noch seine drohende Verarmung aufgrund
zwielichtiger Geschäfte und Fehlinvestitionen zunehmend zu schaffen,
ist er auch schon ein Gesprächsthema in der Meininger Gesellschaft.
Von Kalb, der früher in Amerika unter Lafayette gekämpft hatte,
kümmert sich jetzt nur noch um Heim und Familie und geht auch nur
selten aus, wie Hölderlin schreibt. Hin und wieder lädt der Major
jedoch Gäste wie der Herzog von Meiningen zum Mittagessen ins Schloss
ein, um gesellschaftlich nicht ganz ins Abseits zu geraten und um im
Hinblick auf seinen Ruf in der Gesellschaft den Schein zu wahren.
Das Foto zeigt das ehemalige Wohnhaus der Familie von Kalb in
Weimar, der erste Wohnsitz Goethes. Goethe war vom 7. November 1775
bis zum 18. März 1776 der Hausgast Charlottens, als er nach Weimar
gezogen war. 1804 war Freiherr Heinrich von Kalb pleite und
verkaufte u.a. auch dieses Haus.
Schiller höchstpersönlich bezog zunächst mit seiner Ehefrau
Charlotte von Lengefeld für einige Zeit dieses Haus, was seiner Frau
aber nicht wirklich behagte, weil sie wusste, dass Charlotte von
Kalb Schillers Ex-Geliebte war. Sie war bemüht, alle Spuren der
Freifrau von Kalb zu entfernen.
Seit 1810 war das Haus die Gaststätte 'Hotel de Saxe' und wurde 1870
in 'Sächsischer Hof' umbenannt.
Das Ehepaar Von Kalb trennte sich 1802 endgültig. Charlotte ging mit Tochter Edda nach Berlin, wo Edda Hofdame am preußischen Hof wurde und ihre Mutter zu sich ins Schloss nahm. Die Söhne Fritz und August Wilhelm waren beim Militär. Heinrich von Kalb zog sich mit seiner Geliebten Anna Barbara Todt, die auch bei ihm als Köchin angestellt war, und den drei gemeinsamen Kindern auf sein Schloss Trabelsdorf zurück. Da sein Ruf ruiniert und seine Verhältnisse komplett zerrüttet waren, brauchte er seine drei unehelichen Kinder auch nicht mehr in der Meininger Öffentlichkeit zu verstecken. 1806 erschoss er sich im Gasthof 'Zum Goldenen Hahn' in München. August Wilhelm versuchte vergeblich das restliche Erbe seiner Eltern zu retten, erschoss sich 1825 auf der preußischen Festung. Die einzige Enkeltochter, Henriette Franziska, die von Fritz von Kalb stammt, starb 1870 kinderlos, sodass dieses Adelsgeschlecht letzten Endes ausstarb.
Am Ende der Gasse sieht man das rosa-gelbe Wohnhaus Herders hinter
der Kirche verschwinden. Die graue Mauer rechts ist die
'Herderkirche' (St. Peter & Paul), wo Herder begraben liegt.
Charlotte von Kalb wollte Hölderlin nicht gehen lassen, daher bot
auch Herder Hölderlin Unterstützung an, d.h. eine Stelle als
Hauslehrer im Hause Herder, was Hölderlin aber ebenfalls ablehnte.
Hölderlin wollte Fritz von Kalb nicht mehr betreuen, daher zahlte er
den Vorschuss an Charlotte von Kalb zurück. Er wollte auch nicht
ständig nach Weimar kommen, weil er seine Vorlesungen bei Fichte
nicht verpassen und seiner Wege gehen wollte.
Die Herderkirche und Herders Wohnhaus sind nur wenige Schritte vom
Wohnhaus Charlottens entfernt. Weimar und Charlottens Umfeld waren
Hölderlin zu eng. Er wollte sich von ihr unabhängig machen, wie er
explizit in seinem Brief an seine Mutter schrieb, und nicht ihr
Schoßhündchen spielen. Die Tatsache, dass der Major von Kalb eine
Beziehung mit der jungen Wilhelmine hatte, dürfte Charlotte dazu
bewogen haben, sich ebenfalls einen jungen Liebhaber zu gönnen. Da
wäre ihr Hölderlin gerade willkommen gewesen.
Das Foto zeigt die Schlosskirche am Marktplatz.in Meiningen.
Da Freiherr von Kalb für seine Affären bekannt war, sahen die
Meininger es wohl als ein offenes Geheimnis an, dass Wilhelminens
Tochter das uneheliche Kind des arbeitslosen Majors von Kalb war.
Nur hatte sich wohl keiner getraut, dies auszusprechen, auch nicht
hinter vorgehaltener Hand. Lieber hatte man Hölderlin als Sündenbock
benutzt, um Charlotte weitere öffentliche Schmach zu ersparen.
Charlotte von Kalb könnte aus Enttäuschung über Hölderlins Weggang
aus Jena dieses Gerücht noch befeuert haben - schlimmer noch, sie
war ungehalten, als sie erfuhr, dass Hölderlin in Frankfurt mit
Susette Gontard eine Liebesbeziehung hatte und Charlotte auch
diesmal wieder von einem Mann verschmäht wurde. Charlotte schlug am
Ende ihrer Ehe wild um sich, sodass sogar ihre Familie sie
entmündigen lassen wollte.
22. Mai 1795 - Hölderlin bewirbt sich von
Jena aus auf neue Stellen Charlotte von Kalb machte Hölderlin
mit Goethe und Herder bekannt und wollte, dass Hölderlin regelmäßig zu
ihr nach Weimar käme, was Hölderlin ablehnte, wollte er doch seine
Seminare und Vorlesungen bei Fichte nicht ständig unterbrechen. Auch
hatte Hölderlin seiner Mutter versprochen, dass er sich in Zukunft
selbst um sein Einkommen kümmern und ihr nicht mehr auf der Tasche
liegen wolle. Hölderlin wollte ggfs. auch Vorlesungen an der Uni
halten, dazu hätte er aber erst selbst einen Abschluss gebraucht.
Andere Dozenten hatten für ihre Tätigkeit als Seminarleiter und
Professor ebenfalls nicht unbedingt eine Vergütung erhalten, sodass
die finanzielle Situation generell schwierig war.
An der Uni erfuhr Hölderlin von einem Studenten, dass ein Frankfurter
einen Hauslehrer für seinen Sohn suche. Hölderlin schreibt am 22. Mai
1795 seiner Mutter, dass ihm durch Empfehlung eines Jenaer Studenten
eine Hofmeisterstelle in Frankfurt bzw. Offenbach angeboten wurde
(Große Stuttgarter Ausgabe, 6-1, S. 173). Eine weitere Stelle in
Kopenhagen fasste Hölderlin ebenso ins Auge wie sich als
Gesellschafter zeitweise zu verdingen. Auch an Neuffer schrieb
Hölderlin, dass er Jena verlassen wolle, er könne ja zu einem späteren
Zeitpunkt wiederkehren. Da das Geld, das die Mutter Hölderlin
geschickt hatte, langsam aber sicher zur Neige ging, auch weil
Hölderlin zuvor noch eine Fußreise nach Dessau, Halle/Saale und
Leipzig unternommen hatte, bewarb sich Hölderlin schließlich auch bei
Gontards, d.h. auf seiner Heimreise nach Nürtingen hatte sich
Hölderlin mit Dr. Ebel in Heidelberg getroffen, ein guter Bekannter
der Gontards, der ihn empfahl. Cotta in Tübingen sollte Hölderlin noch
bis September Geld für ein unbedeutendes Manuskript auszahlen, wodurch
Hölderlin sich noch hätte versorgen können. Allerdings waren solche
Honorare eben nur ein Tropfen auf den heißen Stein und keine Garantie
für ein regelmäßiges Einkommen.
Hölderlin hatte Jena nicht grundlos und überstürzt verlassen wie
Kritiker meinen, sondern musste erst einmal nach Hause gehen, weil er
in Jena keine sichere Einkommensquelle mehr hatte und Gontards sich
mit ihrer Zusage lange Zeit ließen.
Sobald Hölderlin wieder zu Hause war, bereute er gleich darauf seinen
Entschluss, Jena verlassen zu haben. Er schrieb, dass es die dümmste
Idee gewesen wäre, wieder heim ins Land zu kommen. Die Mutter bemerkte
Hölderlins Nervosität und Unmut. Er fing an, von morgens bis abends
wie besessen zu dichten, was die Mutter natürlich nicht verstand,
glaubte sie doch, dass Hölderlin jetzt die Kirchenlaufbahn einschlage.
Sie hatte ihm erneut zwei offene Vikarstellen in nahegelegenen
Pfarreien empfohlen.
Mit der Kirche im Nacken saß Hölderlin auf glühenden Kohlen, weil er
schnellstens neue Gedichte brauchte, um sie Schiller zur
Veröffentlichung zu schicken. Er wollte unter keinen Umständen den
beruflichen Kontakt über die Entfernung abbrechen lassen und schon gar
nicht Pfarrer werden, sodass er wieder Zeit gewinnen musste, indem er
der Mutter sagte, er plane noch eine Literaturreise nach Italien,
hätte viele Ideen für Gedichte und sich erneut als Hauslehrer bei der
Bankiersfamilie Gontard in Frankfurt beworben.
Familie Gontard ließ sich also mit der Zusage einige Monate Zeit, und
daher fiel Hölderlin ein Stein vom Herzen, als er endlich seine neue
Stelle in Frankfurt antreten konnte. Er hatte sich sozusagen in die
Arme Susettens gerettet, wie Susette in einem ihrer Briefe richtig
erkannte.
10. Januar 1796 - Hölderlin tritt seine
Hofmeisterstelle in Frankfurt an Hölderlin tritt seine neue
Hauslehrerstelle bei Bankier Jakob Gontard in Frankfurt an und ist von
dessen liebreizenden Ehefrau Susette sofort fasziniert. Mit dem Sohn
Susettens, seinem Zögling Henry Gontard, versteht sich Hölderlin auf
Anhieb ausgezeichnet.
Im Mai 1796 begibt sich Familie Gontard in ihr Sommerdomizil, ein
Landhaus östlich der Stadt gelegen. Hölderlin und Susette genießen die
Sommerfrische und "ungestörte Stunden, in denen beide im himmlischen
Frieden nebeneinander leben". Zu diesem Zeitpunkt waren sie schon
längst ineinander verliebt.
Als am 2. Juli die Rhein-Mosel-Armee in Württemberg einfällt, macht
sich Hölderlin um seine Familie in Nürtingen natürlich große Sorgen.
Am 10. Juli müssen Susette und ihre vier Kinder mit Hölderlin und der
Gouvernante Marie Rätzer Frankfurt verlassen, weil auch dort die
Belagerung droht. Bankier Gontard bleibt in Frankfurt. Susette will
zunächst zu ihren Eltern nach Hamburg gehen. In Kassel entscheidet sie
sich plötzlich um und alle gehen nach Bad Driburg, wo sie bei einem
Freund des Hauses Gontard wohnen können, der ein großes Anwesen hat.
Man vermutet, dass Susette die Chance ergriffen hatte, mit Hölderlin
noch ungestörter zu sein. Dort kommt Hölderlin auch in den Genuss der
Mineralwasserquellen.
Zwischen Kassel und Bad Driburg
Hölderlin schreibt über seine Reiseeindrücke im Brief, dass er
"wilde schöne Landschaften" gesehen habe, sogar den Brocken aus der
Ferne.
In Bad Driburg genießen Hölderlin und Susette lange Spaziergänge und
intime Gespräche, sitzen bis tief in die Nacht beim Wein zusammen.
Spätestens dann hatten sie die Gelegenheit, sich auch körperlich
näherzukommen. Die Beziehung zu Susette war für Hölderlin etwas ganz
Besonderes, geradezu etwas Göttliches, und entwickelte sich durch
das tiefe und innige Gefühl der Liebe, die Hölderlin zuvor nur in
seinen Träumen, wie er schrieb, aber noch nie mit einer Frau aus
Fleisch und Blut erlebt hatte und bis zu seinem Tod auch nicht mehr
erlebte.
Marie Rätzer, die Gouvernante der Töchter Susettens, bleibt nicht
verborgen, dass Susette und Hölderlin oft beisammen sitzen. Was sie
nicht weiß, ist, dass Hölderlin mit Susette auch am 'Hyperion'
arbeitet. Susette ist ihm eine gute Ratgeberin, wie die Geschichte
erzählt werden soll. Sie überlegen, ob Hölderlin die 'Diotima' sterben
lassen soll oder nicht. Letztlich entscheidet sich Hölderlin aus
dramaturgischen Gründen doch für den Tod 'Diotimas' und bittet Susette
deshalb um Verzeihung. Nachdem 'Hyperion' 1797 gedruckt war, schenkte
Hölderlin Susette ein Exemplar beider Teile des 'Hyperion' mit der
Widmung "Wem sonst als Dir".
Zurück in Frankfurt beobachtet Marie Rätzer im Hause Gontard Hölderlin
und Susette weiterhin neugierig und erzählt alles brühwarm weiter. Sie
mag einen gewissen Anteil daran haben, dass Bankier Gontard nach fast
zwei Jahren Wind von der heimlichen Liebesbeziehung seiner Frau
Susette mit Hölderlin bekam.
Hölderlin schreibt in einem Brief, dass die Frankfurter Gesellschaft,
die reichen, satten Bankiers und Geschäftsleute unangenehme,
respektlose und freudlose Zeitgenossen seien. Sie behandelten
Hölderlin nicht wie einen Gelehrten, sondern wie einen Dienstboten.
Selbst Hölderlins zweiter Arbeitgeber, Bankier Jakob Gontard
persönlich, nannte Hölderlin im Beisein Susettens einen "Domestiken",
was das Fass zum Überlaufen brachte. Hölderlin durfte z.B. nie mit den
Herrschaften und deren Gäste an der Tafel speisen, sondern musste in
der Gesindeküche sein Abendbrot einnehmen, was er nicht tat, sondern
sich eine Kleinigkeit auf sein Zimmer bringen ließ.
Die Frankfurter Kaufleute im Besonderen bezeichnete Hölderlin sogar
als bösartig. An wen er da wohl dachte? Hölderlin schien den Meininger
Kaufmann Ernst Schwendler jedenfalls auch nicht besonders leiden zu
können, als er Schwendler 1797 in Frankfurt bei einem Konzert antraf
und Schwendler ihn in ein langes Gespräch verwickelte. Mag auch sein,
dass Schwendler lästerte und Charlotte von Kalb erzählt hatte, dass
sich Hölderlin mit der Frau seines neuen Arbeitgebers, Susette
Gontard, viel zu gut verstünde. Ein Grund mehr, dass Charlotte von
Kalb in ihrer gekränkten Eitelkeit auf Hölderlin erst recht wütend
gewesen sein könnte, weil Charlotte bei Hölderlin zuvor nicht landen
konnte.
Hölderlin hatte sich in seiner Zeit in Frankfurt immer wieder an
Schiller und andere gewandt und spielte mit dem Gedanken, wieder nach
Weimar und Jena zurückzugehen. Susette wurde auf Charlotte von Kalb
eifersüchtig, als Hölderlin ihr erzählte, wie es ihm mit der Majorin
in seiner Zeit als Hofmeister in Jena erging. Susette sagte, das alles
käme nur davon, weil "Weimar eine halbe Tagesreise von Jena entfernt"
sei - ca. 4 Stunden, also zur damaligen Zeit nur einen Steinwurf. Wenn
Hölderlin Jena damals nicht verlassen hätte, hätte er ständig springen
müssen, wenn Charlotte es befiehlt.
Hölderlins Zögling Henry Gontard war derjenige, der Hölderlin
liebevoll "mein Holder" nannte und ihm schriftlich mitteilte, dass er
es zutiefst bedauere, dass Hölderlin ihn nicht mehr unterrichten
würde, nachdem die Beziehung zwischen Hölderlin und Susette nach zwei
Jahren aufgeflogen war und Bankier Gontard seiner Frau Susette befahl,
Hölderlin rauszuwerfen. Das hatte sowohl Susette, die von Natur aus
sensibel und ein wenig trübsinnig und in ihrer Vernunftehe natürlich
sehr unglücklich war, als auch Hölderlin sehr geschmerzt. Susette
schreibt, dass sie "wohl oft bittre, bittre Tränen" weine, "aber eben
diese Tränen sind es", die sie erhalten und trösten.
Hölderlin und Susette wussten beide schon von Beginn an, als sie sich
verliebten und alle Grenzen überschritten, dass ihre Liebe keine
gemeinsame Zukunft haben würde. Hölderlin wünschte sich in den
"seeligen Stunden unserer ersten ganz neuen Liebe", wie Susette diese
Annäherung beschrieb, dass dieses Glück doch wenigstens ein halbes
Jahr lang anhielte.
Hölderlin blieb zunächst in der Nähe Susettens, sodass sie sich zu
bestimmten Zeiten, die aber eher selten waren, auch mal kurz sehen
konnten. Jakob Gontard verbot seinem Sohn Henry den Kontakt zu
Hölderlin, doch Susette blieb mit Hölderlin heimlich per Brief in
Kontakt, immer in der Angst, entdeckt zu werden, sodass sogar Henry
manchmal trotzdem den heimlichen Briefboten spielte:
"So wie ich dich liebe, wird dich nichts mehr lieben!" ~ Susette an
Hölderlin
"Weil ich dich liebhabe und weil ich so lange schwieg..." ~ Hölderlin
an Susette
Von Frankfurt am Main nach Bad Homburg - 1798
bis 1800Hölderlin hatte seine bestimmten Orte um Homburg
herum, von wo aus er Frankfurt sehen konnte.
Mitte September 2020 wurde an Hölderlin mit einem Street Art-Projekt
erinnert. In der Fußgängerzone lag eine Zeichnung Hölderlins auf dem
Boden, die vom markierten Fotopunkt aus betrachtet dreidimensional
erschien: Hölderlin saß auf einem Schemel und schnürte sich seine
Wanderschuhe zu, eine rote Rose im Gepäck, auf dem Weg, seine
geliebte Susette in Frankfurt heimlich zu treffen.
Bad Homburg hat einen 22 km langen 'Hölderlin-Pfad' ausgewiesen, der
in der Dorotheenstraße 34, wo Hölderlin einst wohnte, beginnt und in
Frankfurt am Goethe-Haus endet.
15. Januar 1801Hölderlin trat eine
Hauslehrerstelle beim Textilfabrikanten Anton von Gonzenbach in
Hauptwil in der Schweiz an. Er sollte die beiden jüngsten Töchter
unterrichten, die fast schon 14 und 15 Jahre alt waren. Desweiteren
war geplant, dass Hölderlin noch zwei Neffen Gonzenbachs
unterrichten sollte, aber das hatte sich zerschlagen, sodass
Gonzenbach mit Bedauern Hölderlin Mitte April entlassen musste.
Hölderlin schreibt, dass es in Hauptwil sehr ruhig sei, also kann er
die Zeit gut nutzen, um nicht nur Geld zu verdienen, sondern auch
Oden, Elegien und Gesänge zu schreiben. In dieser kurzen Zeit ist
Hölderlin unglaublich produktiv, und da er ja auch noch in andere
Länder wie Frankreich und Italien reisen wollte, kam ihm wohl der
Abschied aus der Einöde ganz gelegen.
Hölderlin war in Konstanz über die Grenze in die Schweiz eingereist, auf der Heimreise mit einem Ruderboot über den Bodensee nach Lindau gefahren und dann wieder zurück nach Stuttgart zu seinen Freunden gewandert. Hölderlin hatte sich mit der Familie Gonzenbach sehr gut verstanden, hatte natürlich aber auch seine Freunde vermisst.
Atlantikküste nahe BordeauxHölderlins
Freund Friedrich von Matthisson dichtete folgenden Text, der
unter Beethoven vertont wurde: "Ich denke dein".
Ich denke dein, [Wenn]1 durch den Hain Der Nachtigallen Akkorde
schallen!
[Wann]2 denkst du mein? Ich denke dein Im Dämmerschein Der
Abendhelle Am Schattenquelle! Wo denkst du mein? Ich denke dein Mit
süßer Pein, Mit bangem Sehnen Und heißen Thränen! Wie denkst du
mein?
[O denke mein,]3 Bis zum Verein Auf besserm Sterne! In jeder Ferne
Denk' ich nur dein!
28. Januar 1802Hölderlin wanderte im
Winter mit einer Schusswaffe bewaffnet durch das Feindesland
Frankreich, trifft nach einer wochenlangen unwegsamen und gefährlichen
Reise tatsächlich wohlbehalten in Bordeaux ein und tritt seine neue
Hofmeisterstelle beim Hamburger Konsul Daniel Christoph Meyer an.
Konsul Meyer ist Weinhändler und hat in Blanquefort (nordwestlich von
Bordeaux) seinen Landsitz mit eigenem Weingut, was Hölderlin natürlich
interessiert, war doch sein Stiefvater ebenfalls Weinhändler in
Nürtingen gewesen. Es dürfte Hölderlin auch interessiert haben zu
sehen, wie der Wein in Fässern in die Welt verschifft wurde. Hölderlin
hatte auf seiner Reise 1788 über Speyer auch schon sehr genau die
geschäftigen Hafenarbeiter in Lussheim bei Speyer beobachtet, wie sie
auf dem Rhein Schiffe ab- und aufluden.
In Bordeaux versteht sich Hölderlin mit seinem neuen Brotgeber sehr
gut, auch macht Hölderlin seine Erziehungsarbeit ausgezeichnet wie
Konsul Meyer im späteren Zeugnis schreibt. Dennoch wirke Hölderlin
deprimiert und sehe für sein Alter ziemlich alt aus - als wäre
Hölderlin über Nacht gealtert. So ähnlich berichten es die Leute in
Bordeaux, die Hölderlin neugierig beäugen, weil er ein Fremder ist.
Sie sagen, dass Hölderlin oft müde und erschöpft, traurig und
bekümmert wirke, immer wieder sehnsüchtig in die Ferne schaue. Einen
richtigen Zugang finden sie zu ihm nicht.
Eines Tages kündigt Hölderlin ohne Vorwarnung und ersichtlichen Grund.
Am 22. Mai 1802 verlässt er Bordeaux, besucht auf der Heimreise das
Kunstmuseum Musée Napoléon in Paris und geht dann vermutlich direkt
nach Frankfurt, um seine Susette zu sehen.
Der Grund für Hölderlins plötzlichen Aufbruch aus Bordeaux kann ich
mir nur damit erklären, dass Hölderlin erstens allgemein Heimweh nach
seinem Vaterland, seinen Freunden und seiner Familie hatte. Bordeaux
war eben schon sehr weit von zu Hause entfernt und damals gab es weder
Bildtelefon noch Email - nur die gute alte Postkutsche, die manchmal
im Schlamm steckenblieb oder überfallen wurde, sodass Nachrichten sehr
zeitverzögert oder auch gar nicht den Empfänger erreichten.
Der Hauptgrund, denke ich, war aber die Sehnsucht nach Susette. Ohne
sie hatte Hölderlin keine wahre Freude am Leben. Es ist eben nicht
gut, wenn der Mensch ständig alleine ist, grübelt und alles mit sich
selbst ausmachen muss, weder Freude noch Leid mit einem geliebten
Menschen teilen kann. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie gerne er
mit Susette die schöne Landschaft, das Meer und den Wein genossen
hätte. Wenn Susette wegen ihrer vier Kinder, die natürlich noch ihre
Mama brauchten, nicht bei ihrem ungeliebten Ehemann Jakob Gontard
hätte bleiben müssen, wäre sie mit Hölderlin vielleicht an einem
anderen Ort in einem anderen Land glücklich geworden (wie im
'Hyperion' schon als Traum beschrieben). "Die höchste Leidenschaft der
Liebe erfährt auf Erden ihre Befriedigung nie", wie Susette schrieb.
Vielleicht hatte Hölderlin dazu noch eine böse Vorahnung, nämlich,
dass es Susette nicht gut ging - so ähnlich beschrieb es Hölderlin ja
schon in seinem 'Hyperion'. Der Schock muss daher umso tiefer gesessen
haben, als Hölderlin Ende Juni vom Tod Susettens erfuhr, weil sich der
Tod der 'Diotima' in Hölderlins 'Hyperion' bewahrheitet hatte.
1804 - 1805 Das Foto zeigt das Haus,
in dem Hölderlin von 1804 bis 1805 wohnte, bis er vom Vermieter
wegen Ruhestörung rausgeworfen wurde. Hölderlin hatte das völlig
verstimmte Klavier, das man ihm geschenkt hatte, wohl ziemlich
malträtiert. Er war wütend, weil er nicht ordentlich darauf spielen
konnte. Eine Gedenktafel an diesem Haus besagt, dass es 1986 wieder
aufgebaut wurde.
Danach lebte Hölderlin bis zu seinem gewaltsamen Abtransport noch in
der Haingasse 12. Das Haus existiert aber nicht mehr.
Museum Sinclair-Haus Bad Homburg In
der Dorotheenstraße stehen Häuser weiterer Persönlichkeiten,
darunter auch das ehemalige Wohnhaus Sinclairs gegenüber vom
Schlosspark, heute Museum Sinclair-Haus (Foto).
11. September 1806 Hölderlin wird aus
Homburg ohne Zwischenhalt bei der Mutter in Nürtingen mit Gewalt in
die Klinik nach Tübingen gebracht. Man wolle "ihm dabei auch gleich
die Poesie aus dem Kopfe treiben".
Anfang Mai 1807 wird Hölderlin zum Sterben entlassen. Man gibt ihn
Schreinermeister Ernst Zimmer und seiner Frau in Pflege, dem
Hölderlins Schicksal sehr nahe geht. Nach Zimmers Tod versorgt
dessen Tochter Charlotte Zimmer ("Jungfer Loddl") Hölderlin und ihre
alte Mutter.
Das Foto zeigt das Haus der Familie Zimmer, wo Hölderlin im ersten
Stock das Turmzimmer mit Blick auf den Neckar bewohnte. Weitere
Räume wurden den Tübinger Studenten vermietet.
Den Briefen Ernst Zimmers aus der Nürtinger Pflegschaftsakte ist zu
entnehmen, dass Hölderlin Wein und Schnupftabak konsumierte. Im
Sommer stand Hölderlin bei Tagesanbruch auf, um im Hausflur auf und
ab zu laufen, denn er hatte noch immer einen Bewegungsdrang und
konnte sich so am besten körperlich fit halten.
Der Dichter Wilhelm Waiblinger, der in Tübingen ab 1822 Theologie am
Evang. Stift studierte, besuchte Hölderlin im Turm regelmäßig und
lud ihn sogar ein, mit auf Literaturreise nach Italien zu gehen, was
Hölderlin aber ablehnte. Er bliebe lieber zu Hause.
Nachmittags genoss Hölderlin seinen Kaffee und gelegentlich eine
Zigarre zusammen mit Christoph Schwab, der Hölderlin besonders in
den letzten Lebensjahren regelmäßig besuchte, wie Pierre Bertaux in
seinem Buch erzählt. Hölderlins Freunde sollen ihn auch manchmal zum
nahegelegenen Biergarten mit Blick über Tübingen (siehe Foto)
mitgenommen haben. Wenn Hölderlin in Begleitung den Turm verlassen
durfte und dann jemandem aus der Psychiatrie auf der Straße
begegnete, wurde er wütend und wollte auf denjenigen losgehen.
Abends um 7 Uhr speiste Hölderlin mit großem Appetit, um gleich
danach zu Bett zu gehen.
Im Winter spielte Hölderlin die meiste Zeit gerne auf dem Klavier
und sang, manchmal auch zusammen mit den Studenten im Haus. Wenn
jemand einen Walzer spielte, wurde Hölderlin fröhlich und fing zu
tanzen an, was alle belustigte (zit. nach Ernst Zimmer).
Besonders in den ersten Jahren im Turm war Hölderlin unruhig und
aggressiv, ängstlich und menschenscheu. Die unsinnige
Psychotherapie, die nur als Folter und reine Gewalterfahrung benannt
werden kann, hatte Hölderlin traumatisiert, aber mit den Symptomen
einer posttraumatischen Belastungsstörung wie Angstzustände, Unruhe
und gesteigerte Wachsamkeit, Schlafstörungen, Depression und
Aggression sowie ein generell gestörtes Bild von sich selbst und der
Welt kannten sich die Ärzte im 19. Jahrhundert natürlich noch
überhaupt nicht aus. Selbst bis heute im 21. Jahrhundert sind noch
nicht alle Symptome und körperlichen Abläufe, die bei einer PTBS
auftreten, bekannt und somit noch nicht abschließend behandelbar.
Daher ist es noch heute dreist zu behaupten, dass Hölderlin von
Geburt an unheilbar wahnsinnig gewesen wäre.
Nervenärzte deuteten damals ein solches Verhalten als Symptome einer
Schizophrenie und glaubten, Hölderlin sei schon von Geburt an krank
gewesen, was wir heute ebenfalls als üble Nachrede und Häme werten.
In unserem Stammbaum und der Familienchronik kennen wir niemanden,
dem überhaupt eine (angeborene) Geisteskrankheit bescheinigt worden
wäre. Schizophrenes Verhalten, das Hölderlin spätestens seit seiner
Hauslehrertätigkeit im Schloss Waltershausen angedichtet worden war,
zeigt sich u.a. in Denk- und Sprachstörungen. Alles, was Hölderlin in
seinen Werken und Briefen bis zu seiner Entführung geschrieben hatte,
kann ich verstehen und nachvollziehen. Er hatte nie etwas geschrieben,
getan oder gesagt, das ich nicht nachvollziehen könnte. Im Gegenteil.
Er war sprachlich sehr viel gewandter als ich es wohl je sein werde.
Er konnte auch abstrakte und abgehobene Dinge beschreiben, die ich
vollkommen verstehe. Hölderlin war gebildet und konnte schreiben. Mit
seinem großen Wissen kann vielleicht nicht jeder mithalten. Wer
glaubt, ihn nicht verstehen zu können, muss wohl oder übel Wörter,
Namen und Hintergründe recherchieren, was ich auch gemacht habe.
Letztlich bin ich dann zur Erkenntnis gekommen, dass wir uns im Denken
und Wahrnehmen von Gott und der Welt doch sehr ähnlich sind. Wenn er
denkt und schreibt, ist es, als säße ich neben ihm. Hölderlin ist für
mich eine außerordentliche geistige Bereicherung und Inspiration, die
ich in diesem (meinem) Leben nicht mehr missen möchte.
Vielleicht unterschrieb Hölderlin im Turm auch gerade deshalb seine
Gedichte mit anderen Namen, weil er sich selbst im Turm nicht mehr als
der frühere Hölderlin sah. Man hatte in der Anstalt aus ihm quasi
einen anderen Menschen gemacht und sich dadurch eines großartigen
Dichters und Mitmenschen beraubt.
Oftmals tobte Hölderlin sogar nachts um 3 Uhr und weckte das ganze
Haus auf, schlug mit der Faust auf den Tisch, fluchte und schimpfte
auf Professoren oder das Konsistorium, das ihm den ganzen Schlamassel
überhaupt erst eingebrockt hatte - daher kann ich auch seine Wut auf
die Kirche sehr gut verstehen. Was kann Hölderlin dafür, dass er von
Geburt an unfrei war und in eine Zeit voller Barbaren geboren wurde?
Mit den Jahren wurde er zwar ruhiger und umgänglicher, aber er mochte
es einfach nicht, wenn Fremde ihn besuchen wollten, weil er nach
seinen schlimmen Erfahrungen Unbekannten verständlicherweise nicht
mehr über den Weg traute.
Hölderlin war ein unbeugsamer und weiser Mann, der sich zeitlebens
mit der Kirche angelegt hatte.
Nachdem einige Zeit vergangen war, wurde nochmal eine Untersuchung
anberaumt. Die Ärzte sollten feststellen, ob Hölderlin genesen sei.
Man hatte auch schon eine Verwandte der Mutter auserkoren, die
Hölderlin heiraten sollte. Eberhardine Blöst war die Auserwählte.
Hölderlin wusste aber auch diese Dame zu umgehen, sodass schließlich
sein Bruder Karl sie ehelichte. Nein, Hölderlin wollte keine andere
Frau außer Susette Gontard. Und er wollte seine Ruhe vor diesen
Barbaren !
Als Immanuel Nast, der Cousin von Hölderlins ehemaliger Verlobten
Luise Nast aus Maulbronn, als Amtsperson im Zuge des
Erbschaftsstreits, den Hölderlins Geschwister Heinrike und Karl nach
dem Tod der Mutter Johanna 1828 begannen, zu Hölderlin in den Turm
kam, war Nast beim Wiedersehen mit Hölderlin so ergriffen, dass er ihm
"weinend wie ein Kind" um den Hals fiel, wie Ernst Zimmer selbst mit
Betroffenheit in seinem Brief bezeugte. Immanuel Nast war zutiefst
darüber bestürzt, was Hölderlin angetan wurde.
Die Geschwister Hölderlins bekamen schließlich ihren Erbteil,
Hölderlin starb dennoch als wohlhabender Mann.
Die Tatsache, dass Hölderlins Mutter ihn nie im Turm besucht hatte,
liegt vermutlich daran, dass es ihr die Kirche untersagte. Das war die
Strafe für Hölderlin, weil er ungehorsam war. Die Kirche hatte umsonst
viel in ihn investiert, um ihn als Pfarrer auszubilden. Wenn Ernst
Zimmer Hölderlin sagte, er könne doch seiner Mutter schreiben, dann
schrieb Hölderlin nur ein paar Zeilen und unterschrieb mit "Ihr
gehorsamer Sohn". Ich denke, dass Hölderlin die Lage akzeptiert hatte,
so wie sie war. Es hätte für ihn und die gesamte Familie sonst auch
noch sehr viel mehr Nachteile haben können.
Am 16. April 1828 schrieb Ernst Zimmer an den Herrn Amtspfleger: "Ich
weiß nicht ob Sie den Lieben Unglüklichen Hölderlin können, und
Antheil an Ihm nehmen, Er verdient es gewiß in jeder Rüksicht. Die
neusten Tag Blätter nennen Ihn den ersten Elegischen Dichter
Deutschlands, schade vor Seinen herlichen, und großen Geist, der jezt
in Feßlen liegt. Auch sein Gemüth ist so reuch, so tief, und so edel,
daß mann selten einen Sterblichen finden wird der Ihm gleicht. Da
Seine Edle nun Volendete Muter, schon lange vor Ihrem Hingang, für
Seine Bedürfniße hinlänglich gesorgt, wie Sie es mir auch mehrere mahl
geschrieben hat, so ist es, Traurig das mann Ihm nicht einmahl daß was
Seine Muter für Ihn angeordnet hat, zuerkennen will, und auch da Ihn
noch daß Schiksal verfolgt. Was wird Sein künftiger Biograf sagen, der
wie ich hofe nicht ausbleiben wird, über diese Geschichte. [...]"
(Scheuffelen & Wagner-Gnan, "... die Winter Tage bringt Er
meistens am Forte Piano zu...", Seite 10-13, aus der Pflegschaftsakte
Hölderlin im Nürtinger Stadtarchiv)
Beim Lesen der Briefe Hölderlins war ich auch zu der Ansicht gekommen,
dass Hölderlin ein edles Gemüt hatte und ein sehr feiner Mensch war,
dem man nicht alle Tage begegnet. Ernst Zimmer stimme ich voll und
ganz zu und bin dankbar, Hölderlin auf meinem Stammbaum zu haben. Es
ist für mich eine Ehre und ein wahres Bedürfnis, über ihn und weitere
gemeinsame Verwandte zu berichten.
07. Juni 1843Johann Christian
Friedrich Hölderlin stirbt nachts um 11 Uhr im Alter von 73 Jahren.
Lotte Zimmer hatte nicht damit gerechnet, obwohl Hölderlin durch
seine Erkältung geschwächt war. Sie bescheinigt ein "sanftes
Hinscheiden". Christoph Schwab ruft die Studenten auf, an der
Bestattung teilzunehmen. Das Foto zeigt Hölderlins Grab auf dem
Tübinger Friedhof.
10. Juni 1843Christoph Schwab hält die
Grabrede und dankt insgeheim dem Himmel, dass ein heftiger
Gewitterregen herniedergeht, sodass nur diejenigen Hölderlin die
letzte Ehre erweisen, die echten Anteil nehmen. Sobald Hölderlin
unter der Erde war, "brach die volle Sonne durch die Wolken".
(Gottlob Kemmler, Freund von Christoph Schwab, der die Elegie 'Auf
Hölderlins Grab' schrieb.)
Das Bild zeigt Karl Goks Gedenkschrift an seinen lieben Bruder
Friedrich.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Grabsteins steht:
"In heiligsten der Stürme
falle zusammen
meine Kerkerwand,
und herrlicher und freier
walle mein Geist
ins unbekannte Land."
19. August 2020Das Bild zeigt das Hölderlingrab im August 2020. Anlässlich des Jubiläums wurde die Grabstelle aufpoliert. Der alte morsche Birnbaum hinter dem Grabstein, unter dem Hölderlin damals auf den Spitaläckern begraben wurde, ist komplett entfernt worden sowie das schöne nostalgische Efeu, das Baum und Grabfläche bedeckte. Die grüne Begrenzung wurde mit Bodendeckern und einer neuen Eiben-Hecke erweitert, der Grabstein gesäubert und bröckelnde Ecken mit Spachtelmasse wieder neu modelliert. Hinter der Grabstelle wurde ein neuer Baum gepflanzt, der hoffentlich genauso groß und schön wird wie der alte.
Hölder-Wein aus Schloss NeuenburgDas
Foto zeigt Schloss Neuenburg in Freyburg an der Unstrut.
Die dortige Winzervereinigung baut an den Hängen des Schlosses den
Weißwein 'Hölder' an.
Zu Ehren Friedrich Hölderlins und der Stadt Lauffen am Neckar
züchtete 1955 August Herold an der Staatlichen Lehr- und
Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg im Landkreis
Heilbronn diese neue Rebsorte, indem er Riesling und Ruländer
(Synonyme: Grauer Burgunder, Pinot gris) kreuzte, woraus ein
fruchtiger Weißwein entstand.
In den Weinbergen entlang der Flüsse Saale und Unstrut findet der
'Hölder' heutzutage wohl beste Bedingungen.
Der goldene 'Hölder' gehört natürlich zu meinen Lieblingsweinen, und
ich bin mir sicher, dass er Hölderlin auch geschmeckt hätte.
20. März 2020 Anlässlich des 250.
Wiegenfestes unseres lieben Ahnen und Familienmitglieds Johann
Christian Friedrich Hölderlin gedenken wir ihm in aller Stille, in
tiefer Liebe und seelischer Verbundenheit. Wir freuen uns für ihn,
dass er seinen unverbrüchlichen Glauben an Gott und seine Liebe zur
Menschheit nie verloren hat.
Hölderlin hat sein Schicksal auf Erden in Demut angenommen, weil er
wusste, dass er geliebt wird und es für sein Seelenheil so und nicht
anders richtig ist, weil von Gott so gewollt... "Denn der hat viel
gewonnen, der das Leben verstehen kann, ohne zu trauern.", wie
Hölderlin einmal sagte.