Sein Leben

**** hölderlin auf der leipziger buchmesse 2024 ****

Halle 5, Stand E506

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ISBN: 978-3-98913-082-1

Edition Winterwork
Inhaber Mike Winter
Carl-Zeiss-Straße 3
04451 Borsdorf (bei Leipzig)
Deutschland

Mike Winter und sein Team waren mit Hölderlin auf der Leipziger Buchmesse vom 21. - 24. März 2024 vertreten.


"Mein Vorfahre Friedrich Hölderlin hat als Verfechter der Demokratie und Freiheit und besonders als prominentes Opfer der Kirche einen erstaunlich aktuellen Bezug zu heute."
~ Christine Doris Schmidt ~

"Meine Liebe ist das Menschengeschlecht …
die Freiheit muß einmal kommen ...
Dies ist das heilige Ziel meiner Wünsche und meiner Tätigkeit."

~ Friedrich Hölderlin ~


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"Ich bin ein Mann von Grundsätzen!"

Diesen Satz schrieb Friedrich Hölderlin über sich selbst in einem seiner Briefe. Seine Geradlinigkeit und Unbestechlichkeit sowie sein überaus starker Wille haben sich wie ein roter Faden durch sein ganzes Leben gezogen.


Friedrich Hölderlin war zeitlebens ein Opfer von Verleumdungen und übler Nachrede.
Die daraus entstandene, verzerrte Wahrheit über Hölderlin als ein Mensch wie du und ich, die sich bis heute in den Köpfen der Menschen hält, wurde im Laufe des 20. Jahrhunderts durch konsequentes Missachten und Verschweigen von belegten Tatsachen aufrechterhalten.
Im Rahmen unserer langjährigen Ahnenforschung und nach eingehender Studie mir verfügbarer Literatur, Briefe und Dokumente, vornehmlich aus dem 18. und 19. Jahrhundert, war ich im Mai 2020 zu neuen Erkenntnissen gekommen.
Als Verwandte Hölderlins sehe ich es nicht nur als meine Pflicht an, das gängige Hölderlinbild zurechtzurücken. Es ist mir geradezu ein Bedürfnis, seine Ehre wiederherzustellen und sein Andenken zu bewahren.

In meinem Buch zeige ich die wahren Hintergründe seiner Entführung und Zwangseinweisung in die Psychiatrie. Wer wollte ihn als Dichter vernichten? Welche Personen hatten ihn aus welchen Gründen hinterrücks verraten und dem Staate Württemberg sowie der Kirche ausgeliefert?

Hölderlin war nicht geistig umnachtet. Die Briefe seines Pflegevaters Ernst Zimmer und dessen Tochter Lotte, die Hölderlin bis zu dessen Tod umsorgte, und des Turmbesuchers Christoph Theodor Schwab (der Sohn Gustav Schwabs), der Hölderlins Grabrede hielt, geben interessante Einblicke in Hölderlins Alltag im Turm. Nach Auswertung des Obduktionsberichts von 1843 liefern ferner auch die Erkenntnisse des Arztes und Pharmakologen Dr. med. Reinhard Horowski wegweisende Informationen über Hölderlins tatsächlichen Gesundheitszustand.

Hölderlin hatte keine uneheliche Tochter. Die Antwort u.a. auf die Frage nach dem Vater des unehelichen Kindes der Gesellschafterin Wilhelmine Kirms liefert einzig und allein die Familie von Kalb mit ihren heimlichen Machenschaften, Intrigen und tatsächlichen Hurereien, die noch weitere Schandtaten ans Licht brachten. In meinem Buch beschreibe ich die Vorgehensweise der Charlotte von Kalb, die einen besonderen Grund hatte, mithilfe Ernst Schwendlers ausgerechnet der Hofrätin Heim in Meiningen Hölderlin als vermeintlichen Kindsvater zu präsentieren.

Die Ahnenforschung meines Großcousins Volker Faas ergab bisher, dass wir zusammen mit Hölderlin (mütterlicherseits) auch mit Theodor Heuss und König Frederik X. zu Dänemark (väterlicherseits) verwandt sind. Das Buch enthält eine ausgesuchte Bildergalerie unserer schwäbischen Wurzeln, vor allem unsere Stammbäume mit allen prominenten Persönlichkeiten, die für andere Ahnenforscher hilfreich sein könnten.


Die wichtigsten 3 Punkte vorweg, die ich neben anderen Hölderlin-Themen in meinem Buch ausführlich erläuterte:

1. Hölderlin war nicht wahnsinnig.
Hölderlin war ein Opfer politischer und kirchlicher Verfolgung, einer gewaltsamen Entführung ohne rechtliche Grundlage und ethisch fragwürdiger, medizinischer Experimente des Dr. Autenrieths aus Tübingen, der Hölderlin wie ein wildes Tier in einem Käfig gefangen hielt, wie auch die SWR-Dokumentation 'Friedrich Hölderlin - Dichter sein. Unbedingt!' meiner Meinung nach sehr eindrucksvoll zeigt.
Der Arzt und Pharmakologe Dr. med. Reinhard Horowski sagt in seinem 2017 veröffentlichten Buch 'Hölderlin war NICHT verrückt', dass Hölderlin weder an Schizophrenie noch an einer anderen Geisteskrankheit litt. Nachdem er Hölderlins Obduktionsbericht von 1843 einsehen konnte, kam er zur Erkenntnis, dass vielmehr die Therapie mit einem undefinierbaren Giftcocktail (darunter die Quecksilberverbindung Kalomel) Hölderlin erst krank gemacht hatte, und er beschreibt die körperlichen Spätfolgen der Therapie sowie die wahre Todesursache Hölderlins im Alter von 73 Jahren.
Mein armer Verwandter Friedrich Hölderlin musste in der Klinik Todesängste ausstehen. Es grenzt für mich an ein Wunder, dass Hölderlin nicht nur überlebte, sondern sich mit den Jahren im Turm bei guter Pflege und robuster genetischer Konstitution weitgehend erholt hatte. Hölderlin überlebte sogar Dr. Autenrieth um 8 Jahre.
Hölderlin lehnte zeitlebens den Brotberuf des Pfarrers ab, deshalb wollte ihn die Kirche gefügig machen lassen, quasi umerziehen, was in der Menschheitsgeschichte unbequemen Personen oft passierte und bis heute im 21. Jahrhundert wohl noch immer passiert, wenn man die Nachrichten hört und liest. Als Demokrat und Befürworter der Schwäbischen Republik wurde Hölderlin wohl nur deshalb die politische Gefangenschaft und eine Hinrichtung erspart, den andere Schriftsteller damals nicht nur während der Revolution in Frankreich erlitten, weil die Kirche viel Geld in ihn investiert hatte. Sie besaß über Hölderlin alle Macht und betrachtete ihn als ihr Eigentum, aber sie hatte sich an ihm dennoch die Zähne ausgebissen. Um als Institution in der Gesellschaft nicht als Verlierer zu gelten, entmündigte sie Hölderlin kurzerhand und stellte ihn zur Strafe für seinen Ungehorsam offiziell nur noch als einen von Geburt an unheilbar Wahnsinnigen dar, der angeblich nicht wusste, was er sagte, schrieb oder tat.
Diesen Tenor verbreiteten ab dem 20. Jahrhundert viele Leute in ihren Büchern, Abhandlungen und Vorträgen, um sich nicht selten auf Kosten Hölderlins zu profilieren. Hölderlin bis heute im 21. Jahrhundert leichtfertig als "krank" und "wahnsinnig" zu bezeichnen, ist nicht nur oberflächlich und ignorant, sondern schlichtweg die Fortsetzung der damals kaltherzigen und unmenschlichen Verhöhnung eines gläubigen und guten Menschen, der nach Ruhe, Frieden und Freiheit strebte, der mit seinen Werken auf den deutschen Charakter einwirken, aber mehr noch seine "nach Vollendung dürstende Seele sättigen" wollte. (Gr. StAg, 6-1, S. 263)
Friedrich Hölderlin wusste sehr genau, was er wollte und tat. Er scheiterte daher nicht an seinen Ansprüchen als Dichter, sondern hatte auf einem sehr ungewöhnlichen Weg des größten Widerstands tatsächlich sein Ziel erreicht:
Hölderlin ist nicht nur ein Dichter geworden, dessen Werke noch heute im 21. Jahrhundert gelesen werden, sondern er wird oftmals auch mit Goethe und Schiller in einem Zuge genannt, wie z.B. die Moderatorin der SWR-Sendung 'Ich trage einen großen Namen', Julia Westlake, sagte: "Er ist neben Goethe und Schiller einer der größten deutschen Dichter. Friedrich Hölderlins Oden, Elegien und Hymnen sind Meisterwerke der deutschen Lyrik." (SWR Fernsehen, Dt. Erstausstrahlung vom 22. März 2020)


2. Hölderlin war nicht geistig umnachtet.
Im Turm dämmerte Hölderlin nicht für den Rest seines Lebens vor sich hin. Er war auch kein unglücklicher, gebrochener Mann, sondern er akzeptierte sein Schicksal als Wille Gottes, liebte seine beschauliche Ruhe und Geborgenheit im Alter, seine kreative Fantasie in Form von Schreiben, Singen und Zeichnen und die gute Versorgung durch seine Pflegefamilie mit gutem Essen und Wein sowie Schnupftabak, Pfeife und Zigarre. Für ihn wurde extra ein Klavier angeschafft, weil er so gerne darauf spielte. Besonders im Winter verbrachte er seine Zeit, ja ganze Tage, am Klavier. Er hatte sich der Kirche nicht gebeugt, sondern genoss seinen Lebensabend zusammen mit der Hausgemeinschaft. Sein lieber Pflegevater Ernst Zimmer bezeugte in seinen Briefen, dass Hölderlin immer viel Fantasie besaß, sich beschäftigen konnte und noch nicht einmal seinen Humor und seine Lebensfreude verloren hatte. Wenn die Studenten, die mit ihm im Hause Zimmer wohnten, musizierten, dann fing Hölderlin zur Freude aller bei einem Walzer sogar fröhlich zu tanzen an (zit. nach Ernst Zimmers Briefen aus der Pflegschaftsakte Nürtinger Stadtarchiv, 1989).

Wie produktiv Hölderlin noch in seinen Turmjahren gewesen war, kam bei der Sichtung seines Nachlasses zum Vorschein. Hölderlin hatte etliche Blatt Papier feinsäuberlich aufbewahrt, laut Pierre Bertaux wohl an die tausend Seiten mit Texten, Skizzen und Entwürfen sowie Zeichnungen. Der Dichter und evangelische Pfarrer Eduard Mörike, der von der Kirche mit der Beurteilung des Nachlasses beauftragt war, hatte jedoch nur 49 Gedichte Hölderlins noch für würdig befunden, sie der Nachwelt zu hinterlassen. Alles andere wurde "waschkörbeweise", wie es damals hieß, aus dem Turm getragen und auf einem Haufen verbrannt, was ich zutiefst bedauere, denn es wäre für die Hölderlinforschung und besonders für mich als Verwandte sehr interessant zu sehen, mit welchen Themen sich Hölderlin im Alter noch beschäftigt hatte. Viele Texte waren ja noch nicht komplett ausgearbeitet, die hätte man im Laufe der Zeit vielleicht vollenden können. Ich denke, es war sogar Hölderlins bewusste Absicht, seine vielen Ideen zumindest noch zu skizzieren und bei sich zu lagern, um der Nachwelt weitere Denkanstöße zu geben.
Eduard Mörike hatte zeitlebens mit seinem Brotberuf als Pfarrer gehadert, denn er hätte sich wohl auch lieber voll und ganz der Dichtung gewidmet - und genau das wollte Hölderlin für sein Leben eben nicht. Hölderlin wollte keinen verpassten Chancen ewig nachtrauern, sich gemäß seines Naturells zu entfalten, um seiner Bestimmung zu folgen.

Selbst direkt nach Hölderlins Tod im Jahre 1843, so komme ich zur traurigen Erkenntnis, wollte man Hölderlin wohl noch immer nicht für seine Lebensleistung als Dichter respektieren und zugeben, dass sich Hölderlin mit seiner Weigerung Pfarrer zu werden, im Grunde gegen die mächtige Kirche durchgesetzt hatte. Die Mitmenschen in Tübingen hatten kaum mitbekommen, was Hölderlin den ganzen Tag im Turm gemacht hatte, deshalb gab es wie immer Klatsch und Tratsch.
Die Kirche schien wohl zu glauben, sie könne weiterhin den Schein aufrechterhalten, Hölderlin hätte in seiner zweiten Lebenshälfte vor sich hinvegetiert und kaum noch etwas geschrieben, weil er angeblich geistig umnachtet gewesen war und dass daher sein scheinbar sinnloses "Gekritzel" getrost entsorgt werden konnte. Die Kirche hatte sich jedoch geirrt was Hölderlins Leistung und Ansehen betraf, denn es gab schon damals viele Hölderlin-Anhänger, wie sich spätestens am 30. Juni 1881 zeigte, als in Tübingen feierlich ein Denkmal zu Hölderlins Ehren enthüllt wurde. Im Jahre 1883 wurde in Hessen-Homburg dann ein weiteres Denkmal errichtet. 1884 brachte Karl von Köstlin auf Wunsch vieler eine Schmuckausgabe der Hölderlin-Werke heraus. Köstlin, der sich mit Goethe und Shakespeare auskannte, bezeichnete die meisten Werke Hölderlins als "Perlen ersten Ranges" (K. Köstlin, Dichtungen von Friedrich Hölderlin, 1884).


3. Hölderlin hatte keine uneheliche Tochter.
Er war ein Opfer übler Nachrede durch den Meininger Kaufmann Ernst Schwendler, ein langjähriger Bekannter der Freifrau Charlotte von Kalb, der Hölderlin eine Liebesbeziehung vom Hörensagen zur Gesellschafterin Wilhelmine Marianne Kirms aus Dresden andichtete, die in der Zeit Hölderlins als Hauslehrer im Schloss Waltershausen im Herbst 1794 schwanger wurde.

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Im Sommer 1795, also in der besagten Zeit als Wilhelmine niederkam, wurde Freiherr Heinrich von Kalb laut offiziellem Taufbucheintrag am 12. Juni 1795 in Weimar Vater einer Tochter.

Das Foto zeigt die urkundliche Abschrift des Kirchenbuches der Familie von Kalb, die Emil Palleske in seinem Buch 'Charlotte' 1879 veröffentlichte. Die Tauf- und Sterbedaten decken sich mit den Abschriften der Kirchenbücher von Karina Kulbach-Fricke und Reinhold Albert.

Die uneheliche Tochter namens Louise Agnese der Wilhelmine Kirms ist eines von mindestens vier unehelichen Kindern des Freiherrn Heinrich von Kalb, Hölderlins erstem Arbeitgeber, des unliebsamen Gatten Charlottens und Besitzers des Schlosses Waltershausen bei Meiningen.
Ehebruch und Unzucht wurden damals zu Hölderlins Zeiten sowohl in Waltershausen und Meiningen als auch in Weimar und Jena mit Gefängnis, Peitschenhieben am öffentlichen Pranger sowie Geld- und Kirchenbuße bestraft (zit. nach Kreisheimatpfleger Reinhold Albert, 2007, und Helmut Wurm, 2010).
Freiherr Heinrich von Kalb ließ seine uneheliche Tochter mit Wilhelmine Kirms mit Hilfe seiner Ehefrau Charlotte als offizielle Kindsmutter und von Gottfried Herder als guter Freund Charlottens, unkonventioneller Pfarrer und Taufzeuge am 12. Juni 1795 in Weimar ehelich unter dem Namen Eleonore von Kalb taufen, um seiner Kirchenstrafe zu entgehen. Die Schriftstellerin Ursula Naumann erwähnt in ihren Büchern über die Familie von Kalb Charlottens späteren Liebhaber Jean Paul, der aus dem Nähkästchen seinem Freund Christian Otto gegenüber intime Details ausplauderte, indem er in einem Brief mitteilte, dass der eheliche Beischlaf des Ehepaares von Kalb nach der schweren Geburt ihres vierten Kindes, des zweiten Sohnes August Wilhelm von Kalb, im Oktober 1793 eingestellt worden war (Ursula Naumann, Charlotte von Kalb – Eine Lebensgeschichte, 1985, S. 213). Vielleicht konnte Charlotte keine Kinder mehr bekommen, deshalb war sie dann wohl von ihren ehelichen Pflichten entbunden und Freiherr von Kalb hatte sich mit ihrem Wissen seine Geliebten auch aus seiner Dienerschaft genommen. Die uneheliche Tochter der Wilhelmine Kirms war dann das Ergebnis sowie drei weitere Kinder, die Kalb mit seiner Schlossköchin Anna Barbara Todt ab Mai 1799 zeugte.
Die ganze Zeit über konnte Hölderlin jedenfalls frei und ungehindert seiner Wege gehen, ohne von den Sittenwächtern wegen angeblicher Unzucht ins Verhör genommen und ggfs. bestraft zu werden.

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Weder die Gesellschaft noch die Ärzte aus der 1805 gegründeten psychiatrischen Klinik in Tübingen, die den Grundstein des heutigen Universitätsklinikums legten, und schon gar nicht die protestantische Kirche konnten Hölderlin für ihre Zwecke gefügig machen und von seinem rechten, von Gott befohlenen, Weg abbringen.
Hölderlin wusste genau, was er wollte und was für sein Seelenheil richtig war. Zwar war er schon recht ehrgeizig, beinahe perfektionistisch, weshalb er sich seinem Bruder Karl gegenüber einmal als einen "Schiffbrüchigen" (Gr. StAg, 6-1, S. 262f) bezeichnete, weil er im Nachhinein glaubte, manche seiner Texte vielleicht zu früh für den Druck freigegeben zu haben, bevor die Zeit reif war. Er feilte jedenfalls immer wieder an seinen Texten und suchte stets die beste Wortwahl.
Darüberhinaus war Hölderlin sehr pflichtbewusst und wollte immer einen guten Job machen. Doch Erfolg und Anerkennung strebte er nicht um jeden Preis an. Er wollte für seine Leistung respektiert werden. Für einen zweifelhaften Ruhm auf Erden hätte er seine Seele nie dem Teufel verkauft. Ihm war es wichtig, immer noch in den Spiegel schauen zu können.
Er selbst hatte weder einen anderen Menschen sehenden Auges in sein Unglück rennen lassen noch hatte er sich auf Kosten anderer Vorteile verschaffen wollen. Nur weil er nie seine Ellenbogen eingesetzt hatte, bedeutet es nicht, dass er schwach und kränklich oder dümmlich, naiv, inkonsequent und lebensuntüchtig war, wie böse Zungen behaupteten und ihn dadurch oft genug kränkten - ganz im Gegenteil.

Schon aufgrund seiner pietistischen Erziehung war Hölderlin bescheiden und fromm. Er durfte eine höhere Schulbildung genießen, gehörte sozusagen zur Bildungselite im Land. Man kann ihn als klug und gebildet, kultiviert und gesittet, ja sogar als weise bezeichnen. Als Heranwachsender im Kloster Maulbronn ließ er in seinen Schriften eine schon erstaunliche geistige Reife erkennen. Manchmal schien Hölderlin ein untrügliches Gespür für die Wahrheit zu haben, das bei ihm so etwas wie einen sechsten Sinn vermuten ließ. Charlotte von Kalb schrieb ihm sogar seherische Fähigkeiten zu, denn er sprach über Dinge, die sich ihm erschlossen, als ob er hinter die Fassade der Menschheit mit all ihren Lügen und Intrigen, ihrer Falschheit, Missgunst und Zwietracht blicken könne. Hölderlin hatte seine Mitmenschen dadurch immer wieder verunsichert, sodass ihm manche ein großes Misstrauen entgegenbrachten, wenn nicht sogar Angst vor ihm hatten.

Hölderlin wiederum fühlte sich oft genug unverstanden, gekränkt und beleidigt, sodass sich mehr und mehr Wut in ihm aufstaute. Mit seiner Schimpfrede 'So kam ich unter die Deutschen' in seinem Briefroman 'Hyperion' hielt Hölderlin seinen hoffärtigen, missgünstigen und streitsüchtigen Mitmenschen einen Spiegel vor und machte sich damit natürlich keine Freunde. Er wollte den bösen Menschen aber auch gar nicht nach dem Mund reden und womöglich noch Gott schmähen, nur um ihnen zu gefallen und den Absatz seiner Werke anzukurbeln. Der Mensch wurde schließlich nicht auf die Erde gesetzt, um in seiner Eitelkeit zu glänzen, sondern um Gott zu dienen und zu lernen, seine Mitmenschen im Glauben zu unterstützen, wie Hölderlin sinngemäß seinem Bruder Karl sagte.
Die "Barbaren", wie Hölderlin die Deutschen auch nannte, ließen eben "nichts Reines unverdorben", weil sie ihm wie "gottverlassene Unnaturen" vorkamen, die die göttliche Kraft und Schöpfung verleugneten, sich selbst für unantastbar hielten und sich deshalb "zum Gesetz für die Besseren unter ihnen" machten. Was immer Hölderlin in seinen Werken schrieb, meinte er ernst. Er war weder ironisch, süffisant, schlüpfrig oder komisch noch hatte er unehrenhafte und heuchlerische Hintergedanken, wie ihm manche Kritiker unterstellen.

Als Hölderlin endlich sein unliebsames Theologiestudium beendet und auf Empfehlung Schillers seine erste Hauslehrerstelle bei der Familie von Kalb im fränkischen Schloss Waltershausen bei Meiningen angetreten hatte und ihm von Schiller dazu noch das verlockende Angebot zur Mitarbeit an dessen Monatsheft unterbreitet wurde, fühlte er sich zum ersten Mal frei von Kirchenzwängen, heiter und gelöst, auf dem vermeintlich unaufhaltsamen Weg, seine kreative Dichtkunst ausleben zu dürfen.
Seine Freude und Erleichterung zeigt sich in seinem ersten Brief aus Waltershausen an die Schwester Heinrike, deren Ehemann Pfarrer Breunlin und seine Mutter. In einem fröhlichen Brief erzählt Hölderlin von seiner Ankunft und freundlichen Aufnahme durch den Schlossherrn, dem 'HE Major von Kalb' (Freiherrn Heinrich von Kalb), den Dorfpfarrer Nenninger und die Bediensteten im Schloss Waltershausen und lässt sich entgegen seiner Gewohnheit mal zu einer recht flapsigen und unbedachten Bemerkung hinreißen, als er der Gesellschafterin des Hauses, Wilhelmine Kirms, eine "interessante Figur" zuschreibt - eine Bemerkung, die er aber sogleich als Posse verstanden wissen wollte. Er wollte die Gemüter nicht beunruhigen, sondern zur Abwechslung mal erheitern, und er schloss diesen Brief an die Familie mit "das nächste Mal was Gescheiteres".
Hölderlins unbedachte und eher scherzhaft gemeinten Worte über Wilhelminens Figur wurden ihm posthum so sehr im Munde herumgedreht, dass im 21. Jahrhundert allgemein die Medien sowie Autoren in ihren Büchern schon nicht mehr von einem Gerücht, sondern von einer Tatsache sprechen, dass Hölderlin eine uneheliche Tochter habe. Wenn sich Hölderlin in seinem Brief jedoch anders ausgedrückt hätte, dann wären wohl wiederum andere seiner Worte als "Beweis" seiner angeblichen Vaterschaft aufgeführt worden. Worte hier und da allein beweisen aber keine Vaterschaft bzw. Verwandtschaft, nur Kirchenbücher und offizielle Register als Quellennachweis.
Wir haben bislang (Stand Dezember 2022) nirgendwo ein Kirchenbuch gefunden, das Hölderlin als Vater führt, auch nicht der Heimatpfleger Reinhold Albert zusammen mit der Historikerin Karina Kulbach-Fricke (2007), der Hölderlinforscher Adolf Beck (1957) oder der Historiker und Schriftsteller Emil Palleske (1879), der in seinem Buch über Charlotte von Kalb die urkundlichen Abschriften sämtlicher Kirchenbucheinträge der Verwandtschaft Charlottens von Kalb, Marschalk von Ostheim, aus dem Grabfeld veröffentlichte. Wenn also bis heute kein Kirchenbucheintrag eines unehelichen Kindes Hölderlins mit Wilhelmine Kirms zu finden ist, dann schreiben wir im Rahmen unserer seriösen Ahnenforschung bloß aufgrund haltloser Gerüchte im Stammbaum unserem Vorfahren Friedrich Hölderlin natürlich auch keine uneheliche Tochter zu und müssen bis jetzt nur Freiherr Heinrich von Kalb (HE Major von Kalb) als Vater von Wilhelminens Tochter annehmen, weil nur allein der Freiherr von Kalb im Umkreis Hölderlins im besagten Sommer 1795 laut Kirchenregister Vater einer Tochter wurde.

Die Stille, die Natur und die Musik hatten es Hölderlin angetan. Er sah die Schönheit im Detail. Während der Schulzeit erlernte er das Spielen der Blockflöte und des Klaviers. Er sprach mehrere Sprachen - Latein, Griechisch und Hebräisch gehörten sowieso zu seinem Theologiestudium. Französisch erlernte er im Evangelischen Stift zu Tübingen als weitere Sprache noch dazu und beherrschte sie bis ins hohe Alter.  Seine Gesundheit war robust. Er konnte reiten und fechten, war ein kräftiger, sportlicher Typ. Wenn man ihn zum Freund hatte, konnte sich mancher glücklich schätzen. Seinen jüngeren und schmächtigen Schulfreund Schelling ("der kleine Schelling") hatte Hölderlin oftmals mit Fäusten auf dem Schulhof gegen stärkere böse Jungs verteidigt. "Ewig Dein Fritz!" schloss er manchmal seine Briefe an liebe Vertraute.

Bei Frauen und Männern galt Hölderlin als gutaussehend, was Eifersüchteleien zwischen der Freifrau Charlotte von Kalb und der Bankiersgattin Susette Gontard in der Zeit nach sich zog, als Hölderlin als Hauslehrer in Frankfurt arbeitete und später, nachdem Hölderlin seinen Job als Hauslehrer wegen Susette verloren hatte und er sich hauptsächlich in Homburg in Susettens Nähe aufhielt.
Was "Hölderlin und die Frauen" angeht, so ist das Thema im Leben Hölderlins sehr überschaubar. Mit seinen moralischen Prinzipien und seiner pietistischen Erziehung war Hölderlin alles andere als ein Weiberheld: die gelöste Verlobung mit seiner Jugendliebe Luise Nast, die Trennung von seiner langjährigen Freundin Elise LeBret, die er nach seinem Theologiestudium auf Druck der Mutter bzw. der Kirche hätte heiraten sollen, obwohl er immer sagte, er wolle nie heiraten, und die große Liebe seines Lebens, die Bankiersgattin Susette Gontard, der er in seinem bedeutungsvollsten Werk, quasi seinem Lebenswerk, dem 'Hyperion', ein Denkmal setzte.

Hölderlin war gewissenhaft und mitfühlend, gütig und warmherzig - einfach ein lieber Mensch.
In einem Brief schrieb er, er wolle sein Herz nicht an eine einzelne Person hängen, sondern an die gesamte Menschheit, und dass er hoffe, die Nachwelt möge sich in Freiheit gemäß ihres Naturells besser entfalten. Ihm gefielen die Grundzüge einer Demokratie wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und er prangerte immer wieder den zerstörerischen Egoismus und Frevel des Einzelnen in der Gesellschaft an. Solange der Geist des Neides unter den Menschen vorherrsche, gäbe es Krieg, wie er schrieb. Als Jakobiner wollte er aber nicht gesehen werden, gerade weil er um die Gefahr wusste, dass radikale und deshalb politisch zu unbequeme Schriftsteller letztlich nicht nur in Frankreich um ihren Kopf fürchten mussten.

Nie hat er sich blenden und verbiegen lassen. Er war mutig genug, trotz aller Widerstände und Gefahren, seiner Berufung zu folgen, nämlich den Menschen das Göttliche auf seine ganz eigene Weise näherzubringen. In seinen Werken beschreibt er immer wieder große Momente im Leben - Momente, die sich "groß" anfühlen, weil sie "göttlich" sind, d.h. weil Gott anwesend ist - ganz gleich, ob Momente im Leben heiter und schön oder traurig und schmerzlich sind. Wen Gott liebt, dem schenkt er solche Momente.
Da Hölderlin ein großer Griechenlandfan war, obwohl er nie die Gelegenheit hatte, selbst dorthin zu reisen, schrieb er gerne über die Götter aus der griechischen Mythologie.

Das Göttliche auf Erden erlebte Hölderlin tatsächlich in seiner großen Liebe zur Bankiersgattin Susette Gontard, Mutter von vier Kindern, die ihn als Einzige verstand und seine Liebe gleichermaßen erwiderte. "Sie ist ein Engel!" und "Ich bin in einer neuen Welt.". So beschrieb Hölderlin seinem lieben und vertrauten Studienfreund Christian Ludwig Neuffer die Sommermonate in Bad Driburg, wo Hölderlin mit der erfahrenen Susette erstmals auch die körperliche Liebe kennenlernte. Hölderlin schrieb in einem Briefentwurf an Susette: "Weißt du noch, als wir ganz beieinander waren?".
Ansonsten sagte Hölderlin, dass er die Liebe bisher nur aus seinen Träumen kannte. Er entschuldigte sich noch bei Neuffer, weil er dessen Post so lange nicht beantwortet hatte, beglich Hölderlin doch an sich immer schnell und gewissenhaft seine Briefschulden, auch weil er immer selbst gerne liebe Post erhalten wollte.
Bei Susette, so sagte Hölderlin, sei er jetzt mit beiden Füßen auf der Erde und nicht wie gewohnt am Arbeiten. Susette war also die erste und einzige Frau in seinem Leben, die den liebestrunkenen Hölderlin seine Dichtung in dieser Zeit beinahe vergessen ließ. Hölderlin verewigte sie in seinem Briefroman 'Hyperion' in der Figur der 'Diotima', die unerwartet stirbt, als 'Hyperion' seiner Mission folgend in die Welt hinauszieht. Die Geschichte des 'Hyperion', an der Hölderlin zusammen mit Susette arbeitete, sollte sich auf tragische Weise im echten Leben bewahrheiten.

Den lebenslangen Kampf mit der weltlichen Kirche hatte Hölderlin gewonnen, denn er konnte sich ihr erfolgreich entziehen. Er war nicht wie von der Mutter geplant Pfarrer geworden und hatte sich in diesem Zusammenhang auch nicht verheiraten lassen.
Seiner Mutter sagte er schon als Schüler im Kloster Maulbronn, dass er sich kein Leben als "friedliebender Ehemann und Familienvater" in einer Pfarrei vorstellen könne. Mit seinem ausgeprägten Ruhebedürfnis hatte der empfindsame Hölderlin jedoch schon immer etwas Mönchartiges an sich.

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Der Hölderlinturm befindet sich direkt am Neckarufer (Foto mit der Abendsonne, die hinter Schloss Hohentübingen untergeht).
Hölderlin hatte einen wunderschönen Blick ins Grüne, was sein Dichterherz zeitlebens inspirierte.
Im Frühjahr und Herbst hängen morgens die Nebel über dem Wasser und verleihen der Flusslandschaft eine mystische Aura. Bis zum Mittag dringen die Sonnenstrahlen durch. Das Sonnenlicht spiegelt sich auf den Neckarwellen und wird an die Decke von Hölderlins Zimmer geworfen. Im Hochsommer wurde Hölderlin schon früh von der Morgensonne geweckt. Oftmals stand er aber sogar schon vor Sonnenaufgang auf.

Die Mutter schien ihn nie wirklich verstanden zu haben, glaubte sie wohl, dass Hölderlin in einem geregelten Leben mit einem Weib am Herd besser aufgehoben sei. Allerdings darf man nicht vergessen, dass sie ihren Sohn liebte und nur das Beste für ihn wollte. Wenn nur sie hätte entscheiden dürfen, dann hätte sie ihn wohl letzten Endes als Dichter in die Welt ziehen und sein Glück finden lassen. Doch eine Frau und Witwe hatte im 18. Jahrhundert im Grunde nichts zu melden. Hölderlins Mutter war ebenso der Kirche verpflichtet und wurde angehalten, ihren Sohn nach dem Theologiestudium in eine Pfarrei zu schicken, wo gerade eine offene Vikarstelle und eine Pfarrerstochter zum Heiraten war. Da angehende Pfarrer verheiratet sein mussten, hätte man ihn zwangsverheiratet, wenn er sich nicht vorher selbst ein Mädchen sucht. Die Mutter hätte also nichts dagegen gehabt, wenn Hölderlin eines Tages mit Frau und Kind angekommen wäre. Sie musste genauso gute Miene machen wie er, sonst hätte die Kirche, die Hölderlins komplette Ausbildung bezahlt hatte, von ihr das gesamte Schulgeld wieder zurückverlangen können. Für die leidgeprüfte Mutter und zweifache Witwe, die noch andere Familienmitglieder versorgen musste, hätte dies eine große finanzielle Belastung bedeutet.

Nichtsdestotrotz war Hölderlin kein Mann zum Heiraten und Familiegründen, das wusste auch Susette und hat ihn wennauch schweren Herzens in die weite Welt bis nach Bordeaux ziehen lassen, damit er seiner Berufung folgen konnte. Sie wollte ihm beruflich nicht im Weg stehen. Hölderlin brauchte stets seine Ruhe zum Denken, Philosophieren und Schreiben. Seine geistige Freiheit war ihm wichtig. Der Alltag und andere weltliche Belange waren für einen so großen Geist wie ihn ein Graus, lieber schwebte er geistig in höheren Sphären, komplett losgelöst von der irdischen Last. Ständig musste er sich mit den Leuten "herumarbeiten", mit solchen Worten beklagte sich Hölderlin immer wieder.
Zeitweise ließ sich Hölderlin also von der Kirche für Auslandsstudien beurlauben und nahm Gelegenheitsjobs als Hauslehrer bei wohlhabenden Familien an. Die Mutter, die sein Erbe gut angelegt hatte, zahlte ihn für eine brotlose Kunst zwar nicht einfach aus, schickte ihm jedoch das nötige Geld, wenn Hölderlin unterwegs war und ihr seine Ausgaben genau auflistete.
Der eigentliche Grund war, dass Hölderlin Zeit zu gewinnen versuchte, sich als Dichter einen Namen zu machen ohne dabei zu hungern. Stets war er auf der Flucht vor den Fängen der Kirche, auf der Suche, den richtigen Zeitpunkt abzupassen, um sich der Kirche elegant zu entziehen. Insgeheim hoffte er wie seine Zeitgenossen, die politischen Ereignisse und Umbrüche könnten auch eine Revolution in Deutschland hervorrufen und in Württemberg eine schwäbische Republik nach französischem Vorbild entstehen lassen. Vielleicht wären die Forderungen der Kirche an Hölderlin und seine Mutter dann hinfällig gewesen und er hätte in einer Demokratie von rechtlich unzulässigen Verpflichtungen entbunden werden können. Es wäre wohl zu schön gewesen.

Nach dem Tod Susettens erlitt Hölderlin also einen seelischen Zusammenbruch und versank in tiefe Depression. Sein Freund Sinclair, der als Jakobiner galt, wurde bei einem konspirativen Treffen von Spionen belauscht und denunziert und kam als Hochverräter in U-Haft. Hölderlin geriet bei seinem Aufenthalt in Homburg in schlechte Gesellschaft, sodass auch gegen ihn und die Familie ermittelt wurde. Er wurde politisch und gesellschaftlich zu unbequem. Um Hölderlin das Gefängnis zu ersparen und ihn doch noch der Kirche zuführen zu können, wurde der Mutter dringend geraten, ja sogar befohlen, ihren Sohn in die neu gegründete Psychiatrie nach Tübingen bringen zu lassen, wogegen sich Hölderlin vergeblich mit Händen und Füßen wehrte. Er stand Todesängste aus, weil er nicht wusste, was mit ihm passieren würde. Dieser Abtransport glich einer Entführung und entbehrte jeglicher rechtlichen Grundlage. Die Mutter musste von da an die Vormundschaft für ihn übernehmen. Schließlich schien sich Hölderlin seinem Schicksal zu ergeben und vegetierte in seiner Zelle vor sich hin. Man gab ihm nur noch zwei bis drei Jahre zu leben. Er blieb aber dabei, sich nicht der Kirche zu unterwerfen. Vermutlich hatte er bereits mit dem Leben abgeschlossen, hatte er doch verloren, was er liebte.

Als diese unmenschliche Therapie - die reinste Folter und eine absolut unsinnige Behandlung wie man heute weiß - nach Ermessen des damaligen Arztes Dr. Autenrieth nichts fruchtete und Hölderlin nicht einlenkte, wurde er zum Sterben entlassen.
Glück im Unglück war der Schreinermeister Ernst Zimmer, der Hölderlin und seine Dichtkunst sehr schätzte. Zimmer nahm Hölderlin in Pflege. Der König von Württemberg bewilligte auf Antrag der Mutter über das Konsistorium jährliche Zahlungen für Kost und Logis. Von nun an lebte Hölderlin auf Staatskosten bei einer liebevollen Pflegefamilie, die für sein leibliches Wohl sorgte und ihm sogar ein Klavier zur Verfügung stellte, weil Hölderlin so gerne darauf spielte. Manchmal sang er dabei lauthals.
Dies brachte Hölderlin wiederum viel Neid bei seinen Mitmenschen ein. Manche bezeichneten ihn als krank oder verrückt, weltfremd oder verträumt, andere jedoch als bauernschlau, denn Hölderlin musste nicht wie das Fußvolk schuften und sich Gedanken machen, wie er das Brot über Nacht verdienen soll. Der Turm wurde für Hölderlin sozusagen zur Schutzzone.
Mit der Zeit hatte Hölderlin herausgefunden, wie er ungebetene Gäste im Turm durch ein befremdliches Verhalten seinerseits geschickt und schnell abwimmeln konnte. Seine Gedichte, die er in der Turmzeit schrieb, unterzeichnete er meistens mit anderen Namen, zum einen um vielleicht die lästigen Besucher zu ärgern, die von ihm ein paar Zeilen wollten, zum anderen dachte er wohl, diese einfachen Zeilen, die er manchmal aus dem Ärmel schüttelte, wären den Namen Hölderlin nicht wert.

Im Grunde war Hölderlin immer ein subtiler Kämpfer, wie viele seiner Zeitgenossen mit Tinte, Feder und Papier bewaffnet, und lange Zeit nichts weiter als ein verkannter Held. Für seine moralischen Prinzipien und so geliebte Ruhe und Zurückgezogenheit war Hölderlin bereit, den hohen Preis zu zahlen, zumindest offiziell als unheilbar Wahnsinniger in die Geschichte einzugehen...
und schließlich verhalf ihm gerade sein Leben als entmündigter Mann im Turm zu der großen Berühmtheit, die wir am 20. März 2020 anlässlich seines 250. Geburtstages im kleinen Kreise unserer Familie feierten.

Die folgenden Lebensstationen Hölderlins mit Datumsangabe stammen größtenteils aus Adolf Becks Buch 'Hölderlin - Chronik seines Lebens', 1975, sowie aus Hölderlins persönlichen Briefen. Die Beschreibung des Lebens der Gesellschafterin Wilhelmine Kirms sowie das Verhalten des Meininger Kaufmanns Ernst Schwendler sind in Adolf Becks Abhandlung 'Die Gesellschafterin Charlottens von Kalb' im zehnten Band des Hölderlin-Jahrbuchs der Hölderlin-Gesellschaft aus dem Jahre 1957, zu finden. Ursula Naumanns Bücher über Charlotte von Kalb und ihren Mann, den Major von Kalb, Emil Palleskes Veröffentlichung der Gedenkblätter Charlottens sowie Reinhold Alberts Heimatblätter über Waltershausen im Grabfeld liefern die meisten Informationen über die Familie von Kalb.
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20. März 1770 Johann Christian Friedrich Hölderlin kommt in Lauffen am Neckar als erstgeborenes Kind des Klosterhofmeisters Heinrich Friedrich Hölderlin und der Pastorentochter Johanna Christiana Heyn zur Welt.

05. Juli 1772 Hölderlin wird mit dem plötzlichen Tod seines Vaters konfrontiert, der einen Schlaganfall erleidet. Die Mutter verwaltet seitdem Hölderlins Erbe und erzieht ihn im pietistischen Sinne. Noch vor seiner Einschulung verpflichtet ihn seine Mutter der Kirche. Hölderlin soll wie sein Großvater Andreas Heyn Pfarrer werden, was er jedoch zeit seines Lebens ablehnt. Vielmehr fühlt er sich zum Dichter berufen.

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Das Foto links zeigt das Hölderlindenkmal in der öffentlichen Gartenanlage des ehemaligen Klostergeländes in Lauffen am Neckar, wo Besucher gerne Blumen ablegen.

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Das Foto links zeigt das Geburtshaus Hölderlins, das aufwändig saniert wurde und am 20. März 2020 eingeweiht werden sollte. Leider musste durch die angespannte Gesundheitssituation im Lande u.a. diese geplante Veranstaltung abgesagt werden. Die Bauarbeiten waren im August 2020 noch nicht ganz abgeschlossen.

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22. September 1774Wiedervermählung der Mutter Johanna mit Johann Christoph Gok in Nürtingen, der für Hölderlin ein lieber Ersatzvater wird. Gok betreibt in Nürtingen Weinhandel und auch wie meine Vorfahren Landwirtschaft.
Christoph Gok ist Kammerrat und wird zu einem späteren Zeitpunkt auch dritter Bürgermeister der Stadt Nürtingen.
Hölderlins Halbbruder Karl (1776-1849), das erstgeborene Kind in zweiter Ehe mit Christoph Gok, gab gesammelte Werke Hölderlins beim Verleger Cotta in Auftrag.

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1776 - NürtingenDas abgebildete Wohnhaus von Hölderlins Mutter Johanna, die mit ihrem zweiten Ehemann Christoph Gok in Nürtingen dort einzieht, wurde im Jahr 1776 auf dem ehemaligen Schlossareal durch Hölderlins späteren Lateinschullehrer Johann Georg Fischer erbaut, worüber eine Gedenktafel am Haus Auskunft gibt. An der Stelle des heutigen Hölderlinhauses stand einst der sogenannte Schweizerhof.
Desweiteren steht dort geschrieben, dass von 1798 bis 1802 die Mutter zusammen mit Hölderlins Schwester Heinrike Breunlin in diesem Haus wohnte.
Von 1826 bis 1832 bewohnten Eduard Mörikes Mutter und Geschwister das Dachgeschoss. Mörike kam regelmäßig zu Besuch und ihm gefiel besonders die Lage, was er in seinem Brief an Wilhelm Hartlaub schrieb.

1776/1777Hölderlin wird eingeschult, besucht zunächst die Lateinschule in Nürtingen und erhält Privatunterricht in Latein, damit er für die höhere Schulbildung, das Landesexamen, zugelassen wird.

13. März 1779 Johann Christoph Gok stirbt an Lungenentzündung, die er sich zugezogen hatte, als er zuvor bei einem Hochwasser in Nürtingen in seiner Funktion als Bürgermeister mit vollem Körpereinsatz mithalf, das Städtchen mit Dämmen vor den Fluten des Neckars zu schützen und sich dabei erkältete - für Hölderlin und die Mutter ein weiterer schmerzlicher Verlust. Hölderlin sah seine liebe Mutter Johanna eigentlich nur noch weinen, deshalb wollte er ihr ja auch keinen weiteren Kummer bereiten, aber sein Drang, sich geistig frei zu bewegen, war dennoch größer als seinen Dienst nach Vorschrift zu machen.

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Diese Gedenktafel wurde anlässlich des 200. Geburtstages Friedrich Hölderlins in Nürtingen neben der Kreuzkirche am Brunnen errichtet.

Auf dem Kirchhof der Kreuzkirche befanden sich früher die Gräber der Mutter Johanna und des Stiefvaters Christoph Gok.

Hölderlins Schwester Heinrike verstarb 1850 ebenfalls in Nürtingen.

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Das Foto zeigt die am Fuße der Schwäbischen Alb gelegene Karstquelle der Blau, den berühmten türkisblauen 'Blautopf' in Blaubeuren bei Ulm, wo Hölderlins Schwester Heinrike (1772-1850) nach ihrer Hochzeit mit Pfarrer Breunlin und ihren Kindern lebte und wirkte, bevor sie nach dem Tod ihres Mannes nach Nürtingen zu ihrer Mutter Johanna zog.

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20. Oktober 1784 Hölderlin besucht von nun an die Klosterschule in Denkendorf. Damals hatte er bereits viele kreative Ideen im Kopf. Um die Weihnachtszeit 1785 verspürte er eine besonders große Lust zu dichten und begann, "tausend Entwürfe zu Gedichten" zu planen.

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15. März 2020 Zu Hölderlins 250. Geburtstag wurde ihm der Hölderlin-Brunnen auf dem Klosterareal gewidmet. Die Gedenktafel besagt, dass Hölderlin von 1784 bis 1786 als Seminarist eingeschrieben war.

Ein Auszug aus seinem Gedicht Die Heimath von 1797 steht dort ebenfalls geschrieben:
"Ihr holden Ufer, die ihr mich auferzogt,
Stillt ihr der Liebe Leiden? ach! gebt ihr mir,
Ihr Wälder meiner Kindheit, wann ich
Komme, die Ruhe noch Einmal wieder?"

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Im Herbst 1786Hölderlin zieht in das Kloster Maulbronn ein, wo er schon bald mit Luise Nast, der jüngsten Tochter des Klosterverwalters, bekannt gemacht wird. Als heranwachsender Klosterschüler und zukünftiger Pfarrer soll sich Hölderlin langsam aber sicher eine Braut suchen, was sich für Hölderlin jedoch als schwierig erweist. Hölderlin und Luise Nast mochten sich zwar schon, aber in Hölderlin kamen alsbald starke Zweifel auf, weil er sich nunmal kein Leben als Pfarrer und Familienvater vorstellen konnte, und schon gar nicht in so jungen Jahren. Ihn hat es vielmehr in die Welt gezogen, um sich von Land und Leute für seine Gedichte inspirieren zu lassen.

Hölderlin begann zu hadern und fragte Gott, ob dieser eingeschlagene Weg tatsächlich der Wille seines Herrn sein sollte. Immer wieder dachte er daran, aus dem Kloster auszutreten und wollte das mit der Mutter besprechen, die ihn aber immerzu zum Bleiben überredete.
Luise bekam Hölderlins Missmut zu spüren, wofür er sich bei ihr entschuldigte, weil es ja nicht an ihr lag. In der Zeit in Maulbronn verfasste er für Luise ein paar liebe Gedichte, aber dennoch sträubte er sich generell gegen den vorgezeichneten Weg.
Hölderlin machte zunächst gute Miene und ließ die Zeit für sich arbeiten.

Anfang Dezember 2016 besuchte ich das Kloster Maulbronn mit seinem mittelalterlichen Weihnachtsmarkt. Einen Besuch ist Kloster Maulbronn als UNESCO-Weltkulturerbe immer wert. Das große Interesse von uns heutzutage hätte sich Friedrich Hölderlin zusammen mit Hermann Hesse (1877-1962) und Johannes Kepler (1571-1630) wohl nicht träumen lassen.

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Im Juni 1788Hölderlin reist von Maulbronn über Bruchsal in die Pfalz nach Speyer und Oggersheim, wo sich 1782 Schiller, der daheim Schreibverbot hatte, in einem Gasthof versteckte. Hölderlin besucht die Porzellanmanufaktur in Frankenthal sowie Mannheim (meine Geburtsstadt) mit der Jesuitenkirche und dem großen Kaufhaus am Paradeplatz - Gebäude, die Hölderlin am meisten beeindrucken; Mannheim, wo er der Vorstellung 'Der Fähnrich' im alten Nationaltheater beiwohnt und sich das lokale Bier schmecken lässt. Im alten Nationaltheater wurde Schillers 'Die Räuber' 1782 uraufgeführt. Hölderlin wandelt also auf Schillers Spuren und empfindet diese Reise als sehr erhebend. Das Mannheimer Barockschloss ist Hölderlin zu protzig, aber die Jesuitenkirche mit den Gemälden und reichen Verzierungen im Innern bezeichnet er als würdevoll.

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Der Dom zu Speyer ist das höchste und mächtigste Bauwerk, das Hölderlin bislang besucht hat.
Hölderlin beobachtet sehr interessiert die geschäftigen Leute in Lussheim bei Speyer, wie sie auf dem Rhein Schiffe beladen. Das Foto zeigt den Dom von Baden-Württemberg aus gesehen. Aus einer ähnlichen Perspektive in Lussheim dürfte sich der Dom Hölderlin aus der Ferne präsentiert haben, als Hölderlin mit einem Boot über den Rhein auf das linksrheinische Ufer nach Speyer übersetzt. Wenn ich mich recht erinnere, kostete die Überfahrt 24 Kreuzer. Das Papier, worauf Hölderlin seiner Mutter diese Reisekosten genau auflistete, ist im Schiller Nationalmuseum Marbach zu sehen.
Auch war Charlotte von Kalb vom Dom sehr angetan, als sie mit Madame de La Roche, die sie in Mannheim 1785 kennenlernte, zum Namenstag dort den Gottesdienst besuchte.

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Schwetzingen und die damals neue Brücke in Heidelberg gehören auch zu den Orten auf Hölderlins Reise. Besonders Heidelberg gefällt ihm und er verfasst sein berühmtes Gedicht 'Heidelberg', nennt die Stadt am Neckar "der Vaterlandsstädte Ländlichschönste". Auch von der Weite der Rheinebene mit Blick nach Frankreich ist Hölderlin genauso wie ich fasziniert.

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Im Kloster Maulbronn und im Evangelischen Stift zu Tübingen wird Hölderlins Lebensweg immer enger, steiler und steiniger, dennoch mit Momenten der blühenden Hoffnung begleitet.
Die vorgezeichnete Laufbahn führt ihn in eine Richtung, der er sich immer stärker entgegenstellt.

Was wird ihn am Ende erwarten?

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Mit Luises Cousin Immanuel Nast pflegt Hölderlin eine gute Freundschaft sowie auch mit dem Kunststudenten, dem angehenden Maler Franz Carl Hiemer, dem wir das allseits bekannte Gemälde Hölderlins verdanken, das Hölderlin seiner Schwester Heinrike zur Hochzeit mit Pfarrer Breunlin schenkte. Das Original-Pastell Hölderlins befindet sich heute im Schiller-Nationalmuseum in Marbach (siehe Foto), das ich 2017 mit eigenen Augen bestaunen durfte. Da ich selbst seit jeher gerne male und zeichne, sind mir die äußerst filigranen Farbstriche Hiemers aufgefallen.
Desweiteren sah ich auch die Gemälde der Mutter Johanna, des Vaters Heinrich Hölderlin, der Elisabeth Juliane Hölderlin und Theodor Heussens. Franz Carl Hiemers Portrait war leider gerade ausgeliehen.

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21. Oktober 1788 - Evangelisches Stift zu Tübingen In Tübingen zieht Hölderlin mit Hegel und Schelling ins Evangelische Stift und sie beginnen ihr Studium. Anfangs wohnt Hölderlin mit bis zu sechs weiteren Studenten in einem sehr zugigen Zimmer. Er beklagt sich bei der Mutter und hofft, sie könne erwirken, dass Hölderlin in ein wärmeres Winterquartier umziehen dürfte. Von 1790 bis 1793 teilt sich Hölderlin dann mit Hegel und Schelling ein Zimmer im Studentenwohnheim.
Als Hölderlin im Herbst 1788 sein Theologiestudium beginnt, soll er sich im kommenden Frühling verloben. Hölderlins Verlobungsfeier mit Luise findet bei Familie Benjamin Nast in Leonberg statt, doch kurz danach macht Hölderlin im April 1789 ohne Vorwarnung Schluss. Er schreibt Luise einen Brief zur Erklärung. Offiziell ist Luise mit der Lösung des Eheversprechens einverstanden, hatte sie es wohl auch schon kommen sehen.

Immanuel Nast beendet seine Freundschaft mit Hölderlin. Luise Nast heiratet wenig später einen anderen, was Hölderlins Mutter ihrem Sohn in einem Brief mit einem gewissen Vorwurf mitteilt. Hölderlin ist aber froh, dass der Kelch an ihm vorübergegangen ist. Die Heirat Luisens ist für Hölderlin vielmehr der Anlass, den bewussten Entschluss zu fassen, sich niemals verheiraten zu lassen. In seinen Büchern fände er genug Trost, wie er sagt.

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Das Foto zeigt rechts die hohe Mauer des Tübinger Stifts. Der Weg führt hinunter zum Neckar, wo sich der Hölderlinturm befindet. Hölderlin ist auch diesen Weg wohl unzählige Male gegangen.

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Hölderlin musste genauso wie seine Kommilitonen Hegel und Schelling im Evangelischen Stift zu Tübingen damals jegliche Art von Annehmlichkeiten entbehren. Alles war verboten, was Freude machte, wie Schlittenfahren im Winter, Reiten im Sommer, Rauchen, Alkohol (außer der üblen Tischwein-Plörre), selbst Kaffee oder schwarzen Tee zu trinken war untersagt, weil auch diese Getränke zu anregend waren, wie Adolf Beck Hölderlins Studienjahre beschrieb.
Natürlich hatten die Stiftler als angehende Pfarrer mit ihren Verlobten auch keinen vorehelichen Sex, denn damals war die Sittenlage höchst streng - das können sich heute manche Leute gar nicht vorstellen.
Hölderlin wohnte also anfangs mit sechs weiteren Studenten in einem Zimmer, wo es durch die Ritzen im Winter hereinschneite. Der Hausmeister hatte auch nur dann die Fäkalien in den Gängen zusammengekehrt, wenn es kaum noch ein Durchkommen gab und der Gestank selbst für Hartgesottene zu groß wurde, wie man mir 2018 auf der Hölderlin-Tagung im Evangelischen Stift erzählte.

Dagegen sieht Hölderlins ehemaliges Refugium bei seiner Pflegefamilie im Turm heutzutage aus, als hätte er ein Luxus-Apartment an der italienischen Riviera bewohnt. Für damalige Verhältnisse war seine Wohnlage sicherlich privilegiert. Tübingen im Hochsommer erinnert heute in der Tat an Italien, was mir auch ein Germanistik-Professor aus Mailand erfreut bestätigte.

Hölderlin war Frauen gegenüber charmant und höflich. Natürlich registrierte er, ob eine Frau schön und attraktiv war, und erwähnte dies auch in seinen Briefen, wie im Falle der "holden Gestalt", bei der alle rätseln, wen Hölderlin gemeint haben könnte. Das heißt aber nicht, dass Hölderlin seine gute Erziehung und die strengen Sittengesetze vergessen hätte. Frauen sollten seine Nettigkeiten und höflichen Umgangsformen auch nicht überbewerten.
Als Hölderlin seine Hauslehrerstelle in Bordeaux antrat, ärgerte sich Hölderlins Freund Christian Landauer über das hirnrissige Geschwätz der Leute daheim in Stuttgart, die Hölderlin unterstellten, nur nach Frankreich gegangen zu sein, um dort zügellose Sexabenteuer zu suchen. Auch leben manche Roman-Autoren bis heute ihre sexuellen Fantasien aus, wenn sie Hölderlins Reisen und Aufenthalte beschreiben. Aber das nur am Rande bemerkt. Das alles hat mit der harschen Realität des 18./19. Jahrhunderts nichts zu tun.
Der Mutter hätte es aber sehr wohl gefallen, wenn Hölderlin Vater und durch eine Heirat sesshaft geworden wäre, weil er ein anständiges Weib am Herd an seiner Seite gehabt hätte. Als Witwe war Wilhelmine absolut gesellschaftsfähig, jedenfalls eine bessere Partie als eine geschiedene Frau (wie die Frau seines Schulfreundes Schelling) und nicht beschämend wie eine heimliche, verbotene Liäson mit einer verheirateten Frau (Bankiersgattin Susette Gontard).
Charlotte von Kalb hatte Hölderlin nicht wegen Unzucht rausgeworfen, sondern Hölderlin hatte seine erste Hauslehrerstelle von selbst gekündigt, weil ihm sein Zögling den letzten Nerv raubte und er sich in Ruhe auf seine Dichtung konzentrieren wollte. Das Studium in Jena und die Zusammenarbeit mit Schiller war von langer Hand geplant. Hölderlin erwähnte schon im Frühjar 1794, dass er im Herbst mit seinem Zögling Fritz nach Jena gehen wolle. Im Oktober 1794 schrieb Hölderlin seinem Freund Neuffer, dass er ab November in Jena Vorlesungen an der Uni besuchen werde. Anfang November schrieb Hölderlin tatsächlich aus Jena und teilte Neuffer seine neue Adresse mit (Gr. StAg, 6-1, S. 138).

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Das Foto zeigt die St. Georgskirche in Waltershausen. Dahinter befindet sich das Schloss der Familie von Kalb.

Wenn Hölderlin der Vater von Wilhelminens Tochter gewesen wäre, dann hätten er und Wilhelmine, sobald sie wusste oder ahnte, dass sie schwanger war, sich noch mithilfe der Herrschaften von Kalb als Trauzeugen gleich nebenan in der Kapelle im Grabfeld auf Schloss Waltershausen bei Nacht und Nebel schnell vom Dorfpfarrer Nenninger trauen lassen müssen, ohne dass jemand in Waltershausen/Meiningen eine uneheliche Schwangerschaft überhaupt bemerkt hätte, die sonst hätte angezeigt werden können. Das Ehepaar von Kalb hätte sich sonst dann auch der Kuppelei öffentlich schuldig gemacht. Wilhelmine in eine neue Stelle bei Fremden zu schicken, hätte das Schwangerschaftsproblem nicht gelöst. Fremde Familien hätten keine schwangere Single-Frau eingestellt, wie Pierre Bertaux glaubte, denn sonst wären die Sittenwächter gleich vor der Tür gestanden.

Charlotte von Kalb hatte Hölderlin mit Wilhelminens angeblich neuer Stelle in Meiningen angelogen, damit niemand die heimliche Geburt des unehelichen Kindes in Weimar mit Wilhelmine in Verbindung bringt. Da Hölderlin ja auch gar nicht der Vater war, gab es deshalb keinen Grund, Hölderlin einzuweihen. Der Vater des Kindes der Wilhelmine Kirms kann nur Freiherr Heinrich von Kalb persönlich sein. Laut Taufbucheintrag im Kirchenregister zu Weimar wurde Freiherr von Kalb am 12. Juni 1795 als Vater einer Tochter eingetragen, also in dem besagten Zeitraum, als Wilhelmine Kirms niedergekommen sein musste. Wäre Hölderlin der Vater, dann hätte der Major nicht das Kind seiner Domestiken in seinen Stammbaum als sein eigenes Fleisch und Blut aufgenommen. Das Ehepaar von Kalb hatte alle Hände voll zu tun, verräterische Spuren der adeligen Schande zu verwischen.

1788 bilden die Stiftler Friedrich Hölderlin, Christian Ludwig Neuffer und Rudolf Friedrich Heinrich Magenau einen Dichterbund. 1792 erzählt Hölderlin Magenau von seinem Plan, den 'Hyperion' zu schreiben, wozu Magenau ihn noch ermuntert. Gotthold Friedrich Stäudlin, der Hölderlin entdeckt und fördert, veröffentlicht in seinem Musenalmanach des Jahres 1792 erstmals vier Gedichte Hölderlins. Im September 1793 lobt Stäudlin Hölderlins 'Hyperion' und bezeugt "die schöne Sprache" und "das Lebendige der Darstellung". 1793 lernt Hölderlin auch den Jura-Studenten Isaac von Sinclair kennen, mit dem er 1795 kurze Zeit in Jena und nach dem Tod Susettens in Homburg wohnen wird (aus: Adolf Becks Hölderlin - Chronik seines Lebens).

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Das Foto zeigt das Wohnhaus des Verlegers Johann Friedrich Cotta (ab 1822 Freiherr von Cotta) im Stadtkern Tübingens, in dem laut einer Gedenktafel an der Hauswand Goethe vom 07. bis zum 16. September 1797 zu Gast war.

1797 druckte Cotta Hölderlins kompletten Briefroman 'Hyperion oder der Eremit in Griechenland'.
Auf der Stuttgarter Antiquariatsmesse durfte ich eine Erstausgabe in Händen halten, welche mittlerweile im unteren fünfstelligen Bereich gehandelt wird. Meiner Ansicht nach gehören solche Schätze in ein Museum, das beste Lagerungsbedingungen hat, um das Papier vor dem Zerfall zu retten.

1793 berichtet Stäudlin Schiller von Hölderlins Schreibtalent und empfiehlt ihm, Hölderlin unter seine Fittiche zu nehmen. Daraufhin schlägt Schiller der Freifrau Charlotte von Kalb (Schillers Ex-Geliebte) aus dem fränkischen Waltershausen bei Meiningen Hölderlin mit gewissen Vorbehalten vor, als sie für ihren neunjährigen Sohn Fritz einen Privatlehrer (veraltet: Hofmeister) sucht. Schiller, der durch eine Intrige des Freiherrn von Kalb dessen Ehefrau Charlotte von Kalb als ihr früherer Liebhaber wegen Charlotte von Lengefeld schnöde sitzenließ, hat bei Charlotte von Kalb wohl noch etwas gut zu machen. Schiller schwärmt Charlotte vor, dass ihr Hölderlins "Äußeres sicher gefallen" werde, wie Adolf Beck es in seinem Buch beschrieb.

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Das Foto zeigt das alte Bamberger Rathaus.

Am 26. Dezember 1793 schreibt Hölderlin seiner Mutter aus Coburg, als er auf dem Wege von Stuttgart nach Waltershausen war, um seine erste Hofmeisterstelle bei den Herrschaften von Kalb anzutreten. Wegen des streckenweise schlechten Weges war er etwas verspätet.
Seine Reisekosten erstatteten ihm die Herrschaften von Kalb, was Hölderlin seiner Mutter gleich nach seiner Ankunft mitteilte.

Am 30. Dezember 1793 beschreibt Hölderlin seinen Freunden Stäudlin und Neuffer seine Reiseroute per Postwagen: "Über meine Reise von Stuttgart bis Nürnberg kann ich euch nichts sagen. Ich schloß meist die Augen, und ließ euch, und was mir sonst lieb ist, vor mir erscheinen.

In Nürnberg lebt' ich auf. Mit HE. Ludwig wurd ein rechtes gespaßt, und getumultuirt. Zum Journal will er nur wenig beitragen, weil ihm seine Englischen Blätter so viel zu schaffen machen. Er verspricht, einen Verleger für das Journal aufzubringen, wenn er wie er sich ausdrükte, eine recht beträchtliche Anzal von Mitarbeitern aufweisen können werde. Sein Mund ist leibhaftig die Posaune des Egoismus. Übrigens war ich, wie gesagt, recht vergnügt mit ihm. Dienstags (denn Sonntags kam ich in Nürnberg an) fuhr ich nach Erlang hinüber und feierte da den Christtag in der Universitätskirche, wo Prof. Ammon eine herrliche schön und hell gedachte Predigt hielt, womit er wenigstens zehen Scheiterhaufen und Anathema's verdiente. Mittwoch Abends reist' ich wieder von Erlangen ab, kam spät nach Mitternacht in Bamberg an, auf einem verdamt kalten und unsichem Wege, wo man uns wegen den Diebsbanden in den Wäldern einen Husaren entgegenschikte. Von Bamberg bis Koburg, wo ich Donnerstag Abends ankam, hatt' ich den ganzen Tag über das himmlische Thal, das von der Ize durchflössen wird, vor und hinter mir. (Im Vorbeigehen! in ganz Franken bemerkt' ich zu meinem großen Verdrusse, wie ihr denken könnt, laute Unzufriedenheit mit der woltätigen preußischen Regierung […] In Koburg reist ich Freitag Morgens um 3 Uhr mit Extrapost ab, und kam Abends hier an, traff an HE. Major von Kalb, (der in französischen Diensten war, und unter Lafaiette den Amerikanischen Krieg mitmachte,) den humansten gebildetsten Mann, eine Freundin [Wilhelmine] der Frau von K. [Charlotte], die noch mit zwei Kindern [Edda und der im Oktober 1793 geborene August Wilhelm] in Jena ist, meinen künftigen Zögling [Fritz], einen schönen guten Buben, aber auch noch den Hofmeister an, der, wie das ganze Haus, noch kein Wort von meiner Ankunft wußte, und mich ungeachtet seines klugen edlen Benehmens in große Verlegenheit sezte. Sprechen Sie doch mit Schiller über dieses, lieber Doktor ! Der Major tröstet mich so gut er kann über die gespannte Lage." (Gr. StAg, 6-1, S. 100f)

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Das Foto zeigt den Marktplatz von Bad Königshofen mit dem Rathaus links.

Hölderlin hatte in seiner Zeit als Hofmeister im Schloss Waltershausen auch dieses schöne Städtchen auf eigene Faust erkundet. Immer wieder hatte er sich eine kleine Auszeit genommen. Er wanderte gerne allein durch die Landschaft, oftmals nach Römhild, um mit sich allein und "unabhängig von der Welt" zu sein, wie er schrieb.


27. Dezember 1793 - Schloss Waltershausen

Hölderlin kommt im Schloss Waltershausen an, was die Schlossbewohner zunächst verwundert. Die Schlossherrin und Gattin des Freiherrn Heinrich von Kalb, Charlotte von Kalb, die im Oktober 1793 ihr viertes Kind, ihren zweiten Sohn August Wilhelm, in Jena gebar, kam erst im März 1794 wieder zurück ins Schloss. Die Geburt war mit großen Komplikationen verlaufen, daher brauchte sie ein halbes Jahr für ihre Genesung und hatte Hölderlin als neuen Hauslehrer für ihren neunjährigen Sohn Fritz nicht im Schloss ankündigen können.
Der arbeitslose Schlossherr Heinrich von Kalb, ehemals Major im französischen Fremdenregiment Zweibrücken (Königliches Infanterieregiment Zweibrücken - Régiment Royal Deux Ponts), weilt mit der Lausitzer Gesellschafterin Wilhelmine Kirms und den anderen Bediensteten daheim im Schloss und langweilt sich, seit er im Zuge der Französischen Revolution als deutscher Adeliger vor den Jakobinern fliehen musste, die ihm vorwarfen, dem französischen König 1791 zur Flucht verholfen zu haben. Das deutsche Regiment hatte Kalb auch nicht mehr verpflichtet, sodass er vom Familienvermögen seiner Frau Charlotte leben muss und genug Zeit hat, mit Hölderlin unbedingt auf die Jagd gehen zu wollen, um ihm das Schießen beizubringen. Hölderlin ist davon weniger begeistert und froh, dass er bislang noch nicht einmal einen Hasen geschossen hat.

Als ich 2018 das Schloss Waltershausen besuchte, zeigte mir der Schlosseigentümer Herr Dr. Möbius eine Tür, die in den Kerker führte, und erzählte, dass früher die Delinquenten dort einsaßen und auf ihren Prozess warteten. Sie wurden dann zum Gericht nach Bad Königshofen überstellt. Auf Mord stand die Todesstrafe.
Insgesamt hatte Freiherr Heinrich von Kalb wohl mindestens 7 Kinder (3 eheliche und 4 uneheliche), von denen wir heute zumindest wissen. Wer weiß schon, was er sonst auf seinen Feldzügen durch Amerika oder im Zuge seiner Tätigkeit als Offizier in seiner französischen Garnison im Pfälzischen Landau noch für Geheimnisse mit sich herumschleppte, die ihn letztlich zum Suizid veranlassten.

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Das Foto zeigt das Schloss Waltershausen im fränkischen Saal a.d. Saale unweit der thüringischen Landesgrenze und der Stadt Meiningen.
Im September 2018 hatten mich die Schlosseigentümer freundlicherweise durch das Schloss, die Privaträume und den großen Garten geführt.
Auch Hölderlins Zimmer in einem der Schlosstürme (Foto) mit Blick über die Baumwipfel nach Thüringen wurde mir gezeigt.
Hölderlin schrieb, dass er ein sehr schönes Zimmer hätte. Ja, ich finde auch, dass es eigentlich sogar das schönste und gemütlichste Zimmer im Schloss ist, das meine kreative Ader auch gleich angesprochen hat.
So kann ich mir gut vorstellen, dass Hölderlin anfangs eine gute Aura hatte, um am 'Hyperion' weiterzuschreiben. Wäre da nur nicht die ganze Unbill mit seinem Zögling Fritz gewesen, die Hölderlin seine Lust zu dichten beinahe völlig vergällt hatte, sodass er nach einem Jahr kündigte.

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Der Ortsteil Waltershausen liegt in einer sehr ländlichen Gegend wie man auf dem Foto sieht und kann leicht mit Waltershausen bei Gotha verwechselt werden.

"Das Schloß liegt über dem Dorfe auf dem Berge, und ich habe eines der angenemsten Zimmer. Auch sind die Menschen hier, so viel ich sie bisher kennen lernen konnte, recht guter Art. Mit dem Pfarrer besonders bin ich schon recht gut Freund. Ich möchte unter solchen Umständen in keine Stadt. Die Pferde des Majors kann ich benüzen, wann ich will.", schreibt Hölderlin seiner liebsten Mamma. (Gr. StAg, 6-1, S. 102)

Hölderlin freut sich also zunächst über großzügige Gesten seines Brotgebers, des Freiherrn Heinrich von Kalb, der ihm dessen Pferde zur freien Verfügung stellt. Hölderlin darf ausreiten, wann er will, und schreibt, dass er den Major wohl einen Freund nennen dürfe. Mit dem Dorfpfarrer pflegt Hölderlin auch gerne mal ein Bier zu trinken, welches ihm recht gut schmeckt, sodass Hölderlin seinen Neckarwein gar nicht so sehr vermisst. Er kniet sich richtig in die Vorbereitung des Unterrichts, um seinem Zögling Fritz von Kalb die bestmögliche Bildung und Erziehung zukommen zu lassen. Im kommenden Herbst (1794) will Hölderlin mit seinem Zögling nach Jena gehen, um sich an der Universität einzuschreiben und mit Schiller noch enger zusammenzuarbeiten. Seinen Job als Erzieher wird Hölderlin dann auch weiterhin brauchen, um in Jena das Brot über Nacht zu haben. Alles in allem fühlt sich Hölderlin zum ersten Mal frei und unbeschwert. Er ist froh, den Zwängen der Kirche vorerst den Rücken gekehrt zu haben und hegt große Hoffnungen, als Dichter durchstarten zu können.

Charlotte von Kalb pflegt eine Freundschaft mit Goethe und Schiller und fördert junge brotlose Künstler wie Jean Paul, mit dem sie nach Schiller Jahre später ebenfalls eine Affäre beginnt. Im Gegensatz zu ihrem Gatten Heinrich von Kalb, der als ungehobelter Haudegen gilt und sie nur wegen ihres Geldes geheiratet hatte, hat sie einen Sinn für die Literatur bzw. Poesie und hegt selbst schriftstellerische Ambitionen. Um ihrer Zwangsehe zeitweise zu entfliehen, sucht sich Charlotte ihre Liebhaber gerne in Dichterkreisen, wollte sie sich schon nach der Geburt ihrer früh verstorbenen Tochter Adelheid Antoinette Sophia, die 1786 auf dem Höhepunkt der leidenschaftlichen Beziehung zu Schiller das Licht der Welt erblickte, von ihrem Mann Heinrich trennen. 1787 erwog Charlotte sogar die Scheidung und machte Schiller einen Heiratsantrag, was dieser jedoch ablehnte.

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Das Foto zeigt Goethes Wohnhaus in Weimar.

Charlotte ist eher selten im Schloss und genießt das gesellschaftliche Leben in Weimar mit literarischen Abenden und Empfängen, trifft Persönlichkeiten wie Charlotte von Stein, die Herzogin Anna Amalia und Johann Gottfried Herder, die für ihre Kinder sogar Taufpaten waren.
Charlotte von Kalb, "die Majorin", wie Hölderlin sie auch nennt, will natürlich auch Hölderlin fördern und gewährt ihm genügend Freizeit, in der er an seinen Texten arbeiten kann, besonders am 'Hyperion'. Sie stellt Hölderlin in Aussicht, ihn mit Goethe, Herder, Wieland und anderen Persönlichkeiten bekannt zu machen.

Es klingt alles zu schön, um wahr zu sein. Die anfängliche Euphorie Hölderlins weicht ziemlich bald der Ernüchterung, als Hölderlin feststellen muss, dass auch das Leben außerhalb der Kirche voller Zwänge ist.
Im Schloss Waltershausen sieht sich Hölderlin mit Unsittlichkeit und Unmoral konfrontiert, allein schon durch das auffallend ungehorsame Verhalten seines Zöglings Fritz, auf den Hölderlin Tag und Nacht aufpassen muss und er deshalb seiner wohlverdienten Nachtruhe beraubt wird, damit Fritz sich nicht unsittlich benehme. Heinrich von Kalb warnt Hölderlin schon vor, dass Fritz onaniere und der vorherige Hofmeister bereits seine liebe Not hatte, Fritz teilweise mit Schlägen zum Gehorsam zu zwingen. Auch Hölderlin kann es Fritz nicht abgewöhnen, was Hölderlin zunehmend frustriert. Hölderlin beschreibt seine erfolglosen Erziehungsversuche im Sommer 1794 bereits als "Perlen vor die Schweine" und konstatiert, dass Fritz von Kalb keine Lehrer, sondern Ärzte bräuchte. Nach der Kündigung Hölderlins musste sich Fritz später tatsächlich einer ärztlichen Behandlung unterziehen, denn die Selbstbefriedigung galt im 18. Jahrhundert als gesundheitsschädlich, wenn nicht sogar als tödlich.

Langsam aber sicher erkennt Hölderlin auch, wie sehr die Herrschaften ihre Machtposition gegenüber ihren Bediensteten ausnutzen.
Hölderlin schreibt seinem Freund Neuffer, dass Wilhelmine "eine schlechte Mutter" habe und "ein Schicksal". Sie tut ihm sehr leid. Wilhelminens Mutter, die aus einfachen Verhältnissen stammt, ist durch ihre dritte Ehe mit einem irischen Baron gesellschaftlich und finanziell aufgestiegen, könnte ihre Tochter finanziell unter die Arme greifen und mit einem reichen Mann erneut verheiraten. Sie überlässt jedoch ihre Tochter dem Schicksal und schickt Wilhelmine als Gouvernante zur Familie von Kalb, wohlwissend, dass Wilhelmine für ihren Lebensunterhalt selber sorgen und sich ihrem Brotgeber Heinrich von Kalb fügen muss. Da Wilhelminens Stiefvater irische Wurzeln hat, erklärt vielleicht, warum Wilhelmine neben Französisch auch sehr gut Englisch spricht. Man kann nur erahnen, inwieweit Hölderlin tatsächlich miterlebt, wie sich eine so kluge und gebildete junge Frau wie Wilhelmine als Unterhalterin verdingen und vor allem den gelangweilten Schlossherrn bei Laune halten muss. Dem arbeitslosen Major von Kalb macht dazu noch seine drohende Verarmung aufgrund zwielichtiger Geschäfte und Fehlinvestitionen zunehmend zu schaffen, ist er auch schon ein Gesprächsthema in der Meininger Gesellschaft. Von Kalb, der früher in Amerika unter Lafayette gekämpft hatte, kümmert sich jetzt nur noch um Heim und Familie und geht auch nur selten aus, wie Hölderlin schreibt. Hin und wieder lädt der Major jedoch Gäste wie der Herzog von Meiningen zum Mittagessen ins Schloss ein, um gesellschaftlich nicht ganz ins Abseits zu geraten und um im Hinblick auf seinen Ruf in der Gesellschaft den Schein zu wahren.

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Das Foto zeigt das ehemalige Wohnhaus der Familie von Kalb in Weimar, der erste Wohnsitz Goethes. Goethe war vom 7. November 1775 bis zum 18. März 1776 der Hausgast Charlottens, als er nach Weimar gezogen war. 1804 war Freiherr Heinrich von Kalb pleite und verkaufte u.a. auch dieses Haus.

Schiller höchstpersönlich bezog zunächst mit seiner Ehefrau Charlotte von Lengefeld für einige Zeit dieses Haus, was seiner Frau aber nicht wirklich behagte, weil sie wusste, dass Charlotte von Kalb Schillers Ex-Geliebte war. Sie war bemüht, alle Spuren der Freifrau von Kalb zu entfernen.
Seit 1810 war das Haus die Gaststätte 'Hotel de Saxe' und wurde 1870 in 'Sächsischer Hof' umbenannt.

Das Ehepaar Von Kalb trennte sich 1802 endgültig. Charlotte ging mit Tochter Edda nach Berlin, wo Edda Hofdame am preußischen Hof wurde und ihre Mutter zu sich ins Schloss nahm. Die Söhne Fritz und August Wilhelm waren beim Militär. Heinrich von Kalb zog sich mit seiner Geliebten Anna Barbara Todt, die auch bei ihm als Köchin angestellt war, und den drei gemeinsamen Kindern auf sein Schloss Trabelsdorf zurück. Da sein Ruf ruiniert und seine Verhältnisse komplett zerrüttet waren, brauchte er seine drei unehelichen Kinder auch nicht mehr in der Meininger Öffentlichkeit zu verstecken. 1806 erschoss er sich im Gasthof 'Zum Goldenen Hahn' in München. August Wilhelm versuchte vergeblich das restliche Erbe seiner Eltern zu retten, erschoss sich 1825 auf der preußischen Festung. Die einzige Enkeltochter, Henriette Franziska, die von Fritz von Kalb stammt, starb 1870 kinderlos, sodass dieses Adelsgeschlecht letzten Endes ausstarb.

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Am Ende der Gasse sieht man das rosa-gelbe Wohnhaus Herders hinter der Kirche verschwinden. Die graue Mauer rechts ist die 'Herderkirche' (St. Peter & Paul), wo Herder begraben liegt.
Charlotte von Kalb wollte Hölderlin nicht gehen lassen, daher bot auch Herder Hölderlin Unterstützung an, d.h. eine Stelle als Hauslehrer im Hause Herder, was Hölderlin aber ebenfalls ablehnte.
Hölderlin wollte Fritz von Kalb nicht mehr betreuen, daher zahlte er den Vorschuss an Charlotte von Kalb zurück. Er wollte auch nicht ständig nach Weimar kommen, weil er seine Vorlesungen bei Fichte nicht verpassen und seiner Wege gehen wollte.
Die Herderkirche und Herders Wohnhaus sind nur wenige Schritte vom Wohnhaus Charlottens entfernt. Weimar und Charlottens Umfeld waren Hölderlin zu eng. Er wollte sich von ihr unabhängig machen, wie er explizit in seinem Brief an seine Mutter schrieb, und nicht ihr Schoßhündchen spielen. Die Tatsache, dass der Major von Kalb eine Beziehung mit der jungen Wilhelmine hatte, dürfte Charlotte dazu bewogen haben, sich ebenfalls einen jungen Liebhaber zu gönnen. Da wäre ihr Hölderlin gerade willkommen gewesen.

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Das Foto zeigt die Schlosskirche am Marktplatz.in Meiningen.
Da Freiherr von Kalb für seine Affären bekannt war, sahen die Meininger es wohl als ein offenes Geheimnis an, dass Wilhelminens Tochter das uneheliche Kind des arbeitslosen Majors von Kalb war. Nur hatte sich wohl keiner getraut, dies auszusprechen, auch nicht hinter vorgehaltener Hand. Lieber hatte man Hölderlin als Sündenbock benutzt, um Charlotte weitere öffentliche Schmach zu ersparen.
Charlotte von Kalb könnte aus Enttäuschung über Hölderlins Weggang aus Jena dieses Gerücht noch befeuert haben - schlimmer noch, sie war ungehalten, als sie erfuhr, dass Hölderlin in Frankfurt mit Susette Gontard eine Liebesbeziehung hatte und Charlotte auch diesmal wieder von einem Mann verschmäht wurde. Charlotte schlug am Ende ihrer Ehe wild um sich, sodass sogar ihre Familie sie entmündigen lassen wollte.

22. Mai 1795 - Hölderlin bewirbt sich von Jena aus auf neue Stellen Charlotte von Kalb machte Hölderlin mit Goethe und Herder bekannt und wollte, dass Hölderlin regelmäßig zu ihr nach Weimar käme, was Hölderlin ablehnte, wollte er doch seine Seminare und Vorlesungen bei Fichte nicht ständig unterbrechen. Auch hatte Hölderlin seiner Mutter versprochen, dass er sich in Zukunft selbst um sein Einkommen kümmern und ihr nicht mehr auf der Tasche liegen wolle. Hölderlin wollte ggfs. auch Vorlesungen an der Uni halten, dazu hätte er aber erst selbst einen Abschluss gebraucht. Andere Dozenten hatten für ihre Tätigkeit als Seminarleiter und Professor ebenfalls nicht unbedingt eine Vergütung erhalten, sodass die finanzielle Situation generell schwierig war.
An der Uni erfuhr Hölderlin von einem Studenten, dass ein Frankfurter einen Hauslehrer für seinen Sohn suche. Hölderlin schreibt am 22. Mai 1795 seiner Mutter, dass ihm durch Empfehlung eines Jenaer Studenten eine Hofmeisterstelle in Frankfurt bzw. Offenbach angeboten wurde (Große Stuttgarter Ausgabe, 6-1, S. 173). Eine weitere Stelle in Kopenhagen fasste Hölderlin ebenso ins Auge wie sich als Gesellschafter zeitweise zu verdingen. Auch an Neuffer schrieb Hölderlin, dass er Jena verlassen wolle, er könne ja zu einem späteren Zeitpunkt wiederkehren. Da das Geld, das die Mutter Hölderlin geschickt hatte, langsam aber sicher zur Neige ging, auch weil Hölderlin zuvor noch eine Fußreise nach Dessau, Halle/Saale und Leipzig unternommen hatte, bewarb sich Hölderlin schließlich auch bei Gontards, d.h. auf seiner Heimreise nach Nürtingen hatte sich Hölderlin mit Dr. Ebel in Heidelberg getroffen, ein guter Bekannter der Gontards, der ihn empfahl. Cotta in Tübingen sollte Hölderlin noch bis September Geld für ein unbedeutendes Manuskript auszahlen, wodurch Hölderlin sich noch hätte versorgen können. Allerdings waren solche Honorare eben nur ein Tropfen auf den heißen Stein und keine Garantie für ein regelmäßiges Einkommen.
Hölderlin hatte Jena nicht grundlos und überstürzt verlassen wie Kritiker meinen, sondern musste erst einmal nach Hause gehen, weil er in Jena keine sichere Einkommensquelle mehr hatte und Gontards sich mit ihrer Zusage lange Zeit ließen.

Sobald Hölderlin wieder zu Hause war, bereute er gleich darauf seinen Entschluss, Jena verlassen zu haben. Er schrieb, dass es die dümmste Idee gewesen wäre, wieder heim ins Land zu kommen. Die Mutter bemerkte Hölderlins Nervosität und Unmut. Er fing an, von morgens bis abends wie besessen zu dichten, was die Mutter natürlich nicht verstand, glaubte sie doch, dass Hölderlin jetzt die Kirchenlaufbahn einschlage. Sie hatte ihm erneut zwei offene Vikarstellen in nahegelegenen Pfarreien empfohlen.
Mit der Kirche im Nacken saß Hölderlin auf glühenden Kohlen, weil er schnellstens neue Gedichte brauchte, um sie Schiller zur Veröffentlichung zu schicken. Er wollte unter keinen Umständen den beruflichen Kontakt über die Entfernung abbrechen lassen und schon gar nicht Pfarrer werden, sodass er wieder Zeit gewinnen musste, indem er der Mutter sagte, er plane noch eine Literaturreise nach Italien, hätte viele Ideen für Gedichte und sich erneut als Hauslehrer bei der Bankiersfamilie Gontard in Frankfurt beworben.
Familie Gontard ließ sich also mit der Zusage einige Monate Zeit, und daher fiel Hölderlin ein Stein vom Herzen, als er endlich seine neue Stelle in Frankfurt antreten konnte. Er hatte sich sozusagen in die Arme Susettens gerettet, wie Susette in einem ihrer Briefe richtig erkannte.

10. Januar 1796 - Hölderlin tritt seine Hofmeisterstelle in Frankfurt an Hölderlin tritt seine neue Hauslehrerstelle bei Bankier Jakob Gontard in Frankfurt an und ist von dessen liebreizenden Ehefrau Susette sofort fasziniert. Mit dem Sohn Susettens, seinem Zögling Henry Gontard, versteht sich Hölderlin auf Anhieb ausgezeichnet.
Im Mai 1796 begibt sich Familie Gontard in ihr Sommerdomizil, ein Landhaus östlich der Stadt gelegen. Hölderlin und Susette genießen die Sommerfrische und "ungestörte Stunden, in denen beide im himmlischen Frieden nebeneinander leben". Zu diesem Zeitpunkt waren sie schon längst ineinander verliebt.
Als am 2. Juli die Rhein-Mosel-Armee in Württemberg einfällt, macht sich Hölderlin um seine Familie in Nürtingen natürlich große Sorgen. Am 10. Juli müssen Susette und ihre vier Kinder mit Hölderlin und der Gouvernante Marie Rätzer Frankfurt verlassen, weil auch dort die Belagerung droht. Bankier Gontard bleibt in Frankfurt. Susette will zunächst zu ihren Eltern nach Hamburg gehen. In Kassel entscheidet sie sich plötzlich um und alle gehen nach Bad Driburg, wo sie bei einem Freund des Hauses Gontard wohnen können, der ein großes Anwesen hat. Man vermutet, dass Susette die Chance ergriffen hatte, mit Hölderlin noch ungestörter zu sein. Dort kommt Hölderlin auch in den Genuss der Mineralwasserquellen.

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Zwischen Kassel und Bad Driburg
Hölderlin schreibt über seine Reiseeindrücke im Brief, dass er "wilde schöne Landschaften" gesehen habe, sogar den Brocken aus der Ferne.

In Bad Driburg genießen Hölderlin und Susette lange Spaziergänge und intime Gespräche, sitzen bis tief in die Nacht beim Wein zusammen. Spätestens dann hatten sie die Gelegenheit, sich auch körperlich näherzukommen. Die Beziehung zu Susette war für Hölderlin etwas ganz Besonderes, geradezu etwas Göttliches, und entwickelte sich durch das tiefe und innige Gefühl der Liebe, die Hölderlin zuvor nur in seinen Träumen, wie er schrieb, aber noch nie mit einer Frau aus Fleisch und Blut erlebt hatte und bis zu seinem Tod auch nicht mehr erlebte.

11. August 1796Ankunft in Bad Driburg. Der Aufenthalt dauert bis weit in den September hinein. Ende September traf die Gesellschaft wieder in Frankfurt ein.

Marie Rätzer, die Gouvernante der Töchter Susettens, bleibt nicht verborgen, dass Susette und Hölderlin oft beisammen sitzen. Was sie nicht weiß, ist, dass Hölderlin mit Susette auch am 'Hyperion' arbeitet. Susette ist ihm eine gute Ratgeberin, wie die Geschichte erzählt werden soll. Sie überlegen, ob Hölderlin die 'Diotima' sterben lassen soll oder nicht. Letztlich entscheidet sich Hölderlin aus dramaturgischen Gründen doch für den Tod 'Diotimas' und bittet Susette deshalb um Verzeihung. Nachdem 'Hyperion' 1797 gedruckt war, schenkte Hölderlin Susette ein Exemplar beider Teile des 'Hyperion' mit der Widmung "Wem sonst als Dir".

Zurück in Frankfurt beobachtet Marie Rätzer im Hause Gontard Hölderlin und Susette weiterhin neugierig und erzählt alles brühwarm weiter. Sie mag einen gewissen Anteil daran haben, dass Bankier Gontard nach fast zwei Jahren Wind von der heimlichen Liebesbeziehung seiner Frau Susette mit Hölderlin bekam. 
Hölderlin schreibt in einem Brief, dass die Frankfurter Gesellschaft, die reichen, satten Bankiers und Geschäftsleute unangenehme, respektlose und freudlose Zeitgenossen seien. Sie behandelten Hölderlin nicht wie einen Gelehrten, sondern wie einen Dienstboten. Selbst Hölderlins zweiter Arbeitgeber, Bankier Jakob Gontard persönlich, nannte Hölderlin im Beisein Susettens einen "Domestiken", was das Fass zum Überlaufen brachte. Hölderlin durfte z.B. nie mit den Herrschaften und deren Gäste an der Tafel speisen, sondern musste in der Gesindeküche sein Abendbrot einnehmen, was er nicht tat, sondern sich eine Kleinigkeit auf sein Zimmer bringen ließ.
Die Frankfurter Kaufleute im Besonderen bezeichnete Hölderlin sogar als bösartig. An wen er da wohl dachte? Hölderlin schien den Meininger Kaufmann Ernst Schwendler jedenfalls auch nicht besonders leiden zu können, als er Schwendler 1797 in Frankfurt bei einem Konzert antraf und Schwendler ihn in ein langes Gespräch verwickelte. Mag auch sein, dass Schwendler lästerte und Charlotte von Kalb erzählt hatte, dass sich Hölderlin mit der Frau seines neuen Arbeitgebers, Susette Gontard, viel zu gut verstünde. Ein Grund mehr, dass Charlotte von Kalb in ihrer gekränkten Eitelkeit auf Hölderlin erst recht wütend gewesen sein könnte, weil Charlotte bei Hölderlin zuvor nicht landen konnte.

Hölderlin hatte sich in seiner Zeit in Frankfurt immer wieder an Schiller und andere gewandt und spielte mit dem Gedanken, wieder nach Weimar und Jena zurückzugehen. Susette wurde auf Charlotte von Kalb eifersüchtig, als Hölderlin ihr erzählte, wie es ihm mit der Majorin in seiner Zeit als Hofmeister in Jena erging. Susette sagte, das alles käme nur davon, weil "Weimar eine halbe Tagesreise von Jena entfernt" sei - ca. 4 Stunden, also zur damaligen Zeit nur einen Steinwurf. Wenn Hölderlin Jena damals nicht verlassen hätte, hätte er ständig springen müssen, wenn Charlotte es befiehlt.

Hölderlins Zögling Henry Gontard war derjenige, der Hölderlin liebevoll "mein Holder" nannte und ihm schriftlich mitteilte, dass er es zutiefst bedauere, dass Hölderlin ihn nicht mehr unterrichten würde, nachdem die Beziehung zwischen Hölderlin und Susette nach zwei Jahren aufgeflogen war und Bankier Gontard seiner Frau Susette befahl, Hölderlin rauszuwerfen. Das hatte sowohl Susette, die von Natur aus sensibel und ein wenig trübsinnig und in ihrer Vernunftehe natürlich sehr unglücklich war, als auch Hölderlin sehr geschmerzt. Susette schreibt, dass sie "wohl oft bittre, bittre Tränen" weine, "aber eben diese Tränen sind es", die sie erhalten und trösten.
Hölderlin und Susette wussten beide schon von Beginn an, als sie sich verliebten und alle Grenzen überschritten, dass ihre Liebe keine gemeinsame Zukunft haben würde. Hölderlin wünschte sich in den "seeligen Stunden unserer ersten ganz neuen Liebe", wie Susette diese Annäherung beschrieb, dass dieses Glück doch wenigstens ein halbes Jahr lang anhielte.

Hölderlin blieb zunächst in der Nähe Susettens, sodass sie sich zu bestimmten Zeiten, die aber eher selten waren, auch mal kurz sehen konnten. Jakob Gontard verbot seinem Sohn Henry den Kontakt zu Hölderlin, doch Susette blieb mit Hölderlin heimlich per Brief in Kontakt, immer in der Angst, entdeckt zu werden, sodass sogar Henry manchmal trotzdem den heimlichen Briefboten spielte:

"So wie ich dich liebe, wird dich nichts mehr lieben!" ~ Susette an Hölderlin
"Weil ich dich liebhabe und weil ich so lange schwieg..." ~ Hölderlin an Susette

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Von Frankfurt am Main nach Bad Homburg - 1798 bis 1800Hölderlin hatte seine bestimmten Orte um Homburg herum, von wo aus er Frankfurt sehen konnte.
Mitte September 2020 wurde an Hölderlin mit einem Street Art-Projekt erinnert. In der Fußgängerzone lag eine Zeichnung Hölderlins auf dem Boden, die vom markierten Fotopunkt aus betrachtet dreidimensional erschien: Hölderlin saß auf einem Schemel und schnürte sich seine Wanderschuhe zu, eine rote Rose im Gepäck, auf dem Weg, seine geliebte Susette in Frankfurt heimlich zu treffen.
Bad Homburg hat einen 22 km langen 'Hölderlin-Pfad' ausgewiesen, der in der Dorotheenstraße 34, wo Hölderlin einst wohnte, beginnt und in Frankfurt am Goethe-Haus endet.

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15. Januar 1801Hölderlin trat eine Hauslehrerstelle beim Textilfabrikanten Anton von Gonzenbach in Hauptwil in der Schweiz an. Er sollte die beiden jüngsten Töchter unterrichten, die fast schon 14 und 15 Jahre alt waren. Desweiteren war geplant, dass Hölderlin noch zwei Neffen Gonzenbachs unterrichten sollte, aber das hatte sich zerschlagen, sodass Gonzenbach mit Bedauern Hölderlin Mitte April entlassen musste.
Hölderlin schreibt, dass es in Hauptwil sehr ruhig sei, also kann er die Zeit gut nutzen, um nicht nur Geld zu verdienen, sondern auch Oden, Elegien und Gesänge zu schreiben. In dieser kurzen Zeit ist Hölderlin unglaublich produktiv, und da er ja auch noch in andere Länder wie Frankreich und Italien reisen wollte, kam ihm wohl der Abschied aus der Einöde ganz gelegen.

Hölderlin war in Konstanz über die Grenze in die Schweiz eingereist, auf der Heimreise mit einem Ruderboot über den Bodensee nach Lindau gefahren und dann wieder zurück nach Stuttgart zu seinen Freunden gewandert. Hölderlin hatte sich mit der Familie Gonzenbach sehr gut verstanden, hatte natürlich aber auch seine Freunde vermisst.

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Atlantikküste nahe BordeauxHölderlins Freund Friedrich von Matthisson dichtete folgenden Text, der  unter Beethoven vertont wurde: "Ich denke dein".
Ich denke dein, [Wenn]1 durch den Hain Der Nachtigallen Akkorde schallen!
[Wann]2 denkst du mein? Ich denke dein Im Dämmerschein Der Abendhelle Am Schattenquelle! Wo denkst du mein? Ich denke dein Mit süßer Pein, Mit bangem Sehnen Und heißen Thränen! Wie denkst du mein?
[O denke mein,]3 Bis zum Verein Auf besserm Sterne! In jeder Ferne Denk' ich nur dein!

28. Januar 1802Hölderlin wanderte im Winter mit einer Schusswaffe bewaffnet durch das Feindesland Frankreich, trifft nach einer wochenlangen unwegsamen und gefährlichen Reise tatsächlich wohlbehalten in Bordeaux ein und tritt seine neue Hofmeisterstelle beim Hamburger Konsul Daniel Christoph Meyer an. Konsul Meyer ist Weinhändler und hat in Blanquefort (nordwestlich von Bordeaux) seinen Landsitz mit eigenem Weingut, was Hölderlin natürlich interessiert, war doch sein Stiefvater ebenfalls Weinhändler in Nürtingen gewesen. Es dürfte Hölderlin auch interessiert haben zu sehen, wie der Wein in Fässern in die Welt verschifft wurde. Hölderlin hatte auf seiner Reise 1788 über Speyer auch schon sehr genau die geschäftigen Hafenarbeiter in Lussheim bei Speyer beobachtet, wie sie auf dem Rhein Schiffe ab- und aufluden.

In Bordeaux versteht sich Hölderlin mit seinem neuen Brotgeber sehr gut, auch macht Hölderlin seine Erziehungsarbeit ausgezeichnet wie Konsul Meyer im späteren Zeugnis schreibt. Dennoch wirke Hölderlin deprimiert und sehe für sein Alter ziemlich alt aus - als wäre Hölderlin über Nacht gealtert. So ähnlich berichten es die Leute in Bordeaux, die Hölderlin neugierig beäugen, weil er ein Fremder ist. Sie sagen, dass Hölderlin oft müde und erschöpft, traurig und bekümmert wirke, immer wieder sehnsüchtig in die Ferne schaue. Einen richtigen Zugang finden sie zu ihm nicht.
Eines Tages kündigt Hölderlin ohne Vorwarnung und ersichtlichen Grund. Am 22. Mai 1802 verlässt er Bordeaux, besucht auf der Heimreise das Kunstmuseum Musée Napoléon in Paris und geht dann vermutlich direkt nach Frankfurt, um seine Susette zu sehen.

Der Grund für Hölderlins plötzlichen Aufbruch aus Bordeaux kann ich mir nur damit erklären, dass Hölderlin erstens allgemein Heimweh nach seinem Vaterland, seinen Freunden und seiner Familie hatte. Bordeaux war eben schon sehr weit von zu Hause entfernt und damals gab es weder Bildtelefon noch Email - nur die gute alte Postkutsche, die manchmal im Schlamm steckenblieb oder überfallen wurde, sodass Nachrichten sehr zeitverzögert oder auch gar nicht den Empfänger erreichten.

Der Hauptgrund, denke ich, war aber die Sehnsucht nach Susette. Ohne sie hatte Hölderlin keine wahre Freude am Leben. Es ist eben nicht gut, wenn der Mensch ständig alleine ist, grübelt und alles mit sich selbst ausmachen muss, weder Freude noch Leid mit einem geliebten Menschen teilen kann. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie gerne er mit Susette die schöne Landschaft, das Meer und den Wein genossen hätte. Wenn Susette wegen ihrer vier Kinder, die natürlich noch ihre Mama brauchten, nicht bei ihrem ungeliebten Ehemann Jakob Gontard hätte bleiben müssen, wäre sie mit Hölderlin vielleicht an einem anderen Ort in einem anderen Land glücklich geworden (wie im 'Hyperion' schon als Traum beschrieben). "Die höchste Leidenschaft der Liebe erfährt auf Erden ihre Befriedigung nie", wie Susette schrieb.

Vielleicht hatte Hölderlin dazu noch eine böse Vorahnung, nämlich, dass es Susette nicht gut ging - so ähnlich beschrieb es Hölderlin ja schon in seinem 'Hyperion'. Der Schock muss daher umso tiefer gesessen haben, als Hölderlin Ende Juni vom Tod Susettens erfuhr, weil sich der Tod der 'Diotima' in Hölderlins 'Hyperion' bewahrheitet hatte.

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1804 - 1805 Das Foto zeigt das Haus, in dem Hölderlin von 1804 bis 1805 wohnte, bis er vom Vermieter wegen Ruhestörung rausgeworfen wurde. Hölderlin hatte das völlig verstimmte Klavier, das man ihm geschenkt hatte, wohl ziemlich malträtiert. Er war wütend, weil er nicht ordentlich darauf spielen konnte. Eine Gedenktafel an diesem Haus besagt, dass es 1986 wieder aufgebaut wurde.
Danach lebte Hölderlin bis zu seinem gewaltsamen Abtransport noch in der Haingasse 12. Das Haus existiert aber nicht mehr.

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Museum Sinclair-Haus Bad Homburg In der Dorotheenstraße stehen Häuser weiterer Persönlichkeiten, darunter auch das ehemalige Wohnhaus Sinclairs gegenüber vom Schlosspark, heute Museum Sinclair-Haus (Foto).


11. September 1806 Hölderlin wird aus Homburg ohne Zwischenhalt bei der Mutter in Nürtingen mit Gewalt in die Klinik nach Tübingen gebracht. Man wolle "ihm dabei auch gleich die Poesie aus dem Kopfe treiben".

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Anfang Mai 1807 wird Hölderlin zum Sterben entlassen. Man gibt ihn Schreinermeister Ernst Zimmer und seiner Frau in Pflege, dem Hölderlins Schicksal sehr nahe geht. Nach Zimmers Tod versorgt dessen Tochter Charlotte Zimmer ("Jungfer Loddl") Hölderlin und ihre alte Mutter.
Das Foto zeigt das Haus der Familie Zimmer, wo Hölderlin im ersten Stock das Turmzimmer mit Blick auf den Neckar bewohnte. Weitere Räume wurden den Tübinger Studenten vermietet.
Den Briefen Ernst Zimmers aus der Nürtinger Pflegschaftsakte ist zu entnehmen, dass Hölderlin Wein und Schnupftabak konsumierte. Im Sommer stand Hölderlin bei Tagesanbruch auf, um im Hausflur auf und ab zu laufen, denn er hatte noch immer einen Bewegungsdrang und konnte sich so am besten körperlich fit halten.
Der Dichter Wilhelm Waiblinger, der in Tübingen ab 1822 Theologie am Evang. Stift studierte, besuchte Hölderlin im Turm regelmäßig und lud ihn sogar ein, mit auf Literaturreise nach Italien zu gehen, was Hölderlin aber ablehnte. Er bliebe lieber zu Hause.

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Nachmittags genoss Hölderlin seinen Kaffee und gelegentlich eine Zigarre zusammen mit Christoph Schwab, der Hölderlin besonders in den letzten Lebensjahren regelmäßig besuchte, wie Pierre Bertaux in seinem Buch erzählt. Hölderlins Freunde sollen ihn auch manchmal zum nahegelegenen Biergarten mit Blick über Tübingen (siehe Foto) mitgenommen haben. Wenn Hölderlin in Begleitung den Turm verlassen durfte und dann jemandem aus der Psychiatrie auf der Straße begegnete, wurde er wütend und wollte auf denjenigen losgehen.
Abends um 7 Uhr speiste Hölderlin mit großem Appetit, um gleich danach zu Bett zu gehen.
Im Winter spielte Hölderlin die meiste Zeit gerne auf dem Klavier und sang, manchmal auch zusammen mit den Studenten im Haus. Wenn jemand einen Walzer spielte, wurde Hölderlin fröhlich und fing zu tanzen an, was alle belustigte (zit. nach Ernst Zimmer).

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Besonders in den ersten Jahren im Turm war Hölderlin unruhig und aggressiv, ängstlich und menschenscheu. Die unsinnige Psychotherapie, die nur als Folter und reine Gewalterfahrung benannt werden kann, hatte Hölderlin traumatisiert, aber mit den Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung wie Angstzustände, Unruhe und gesteigerte Wachsamkeit, Schlafstörungen, Depression und Aggression sowie ein generell gestörtes Bild von sich selbst und der Welt kannten sich die Ärzte im 19. Jahrhundert natürlich noch überhaupt nicht aus. Selbst bis heute im 21. Jahrhundert sind noch nicht alle Symptome und körperlichen Abläufe, die bei einer PTBS auftreten, bekannt und somit noch nicht abschließend behandelbar. Daher ist es noch heute dreist zu behaupten, dass Hölderlin von Geburt an unheilbar wahnsinnig gewesen wäre.
Nervenärzte deuteten damals ein solches Verhalten als Symptome einer Schizophrenie und glaubten, Hölderlin sei schon von Geburt an krank gewesen, was wir heute ebenfalls als üble Nachrede und Häme werten.

In unserem Stammbaum und der Familienchronik kennen wir niemanden, dem überhaupt eine (angeborene) Geisteskrankheit bescheinigt worden wäre. Schizophrenes Verhalten, das Hölderlin spätestens seit seiner Hauslehrertätigkeit im Schloss Waltershausen angedichtet worden war, zeigt sich u.a. in Denk- und Sprachstörungen. Alles, was Hölderlin in seinen Werken und Briefen bis zu seiner Entführung geschrieben hatte, kann ich verstehen und nachvollziehen. Er hatte nie etwas geschrieben, getan oder gesagt, das ich nicht nachvollziehen könnte. Im Gegenteil. Er war sprachlich sehr viel gewandter als ich es wohl je sein werde. Er konnte auch abstrakte und abgehobene Dinge beschreiben, die ich vollkommen verstehe. Hölderlin war gebildet und konnte schreiben. Mit seinem großen Wissen kann vielleicht nicht jeder mithalten. Wer glaubt, ihn nicht verstehen zu können, muss wohl oder übel Wörter, Namen und Hintergründe recherchieren, was ich auch gemacht habe. Letztlich bin ich dann zur Erkenntnis gekommen, dass wir uns im Denken und Wahrnehmen von Gott und der Welt doch sehr ähnlich sind. Wenn er denkt und schreibt, ist es, als säße ich neben ihm. Hölderlin ist für mich eine außerordentliche geistige Bereicherung und Inspiration, die ich in diesem (meinem) Leben nicht mehr missen möchte.

Vielleicht unterschrieb Hölderlin im Turm auch gerade deshalb seine Gedichte mit anderen Namen, weil er sich selbst im Turm nicht mehr als der frühere Hölderlin sah. Man hatte in der Anstalt aus ihm quasi einen anderen Menschen gemacht und sich dadurch eines großartigen Dichters und Mitmenschen beraubt.
Oftmals tobte Hölderlin sogar nachts um 3 Uhr und weckte das ganze Haus auf, schlug mit der Faust auf den Tisch, fluchte und schimpfte auf Professoren oder das Konsistorium, das ihm den ganzen Schlamassel überhaupt erst eingebrockt hatte - daher kann ich auch seine Wut auf die Kirche sehr gut verstehen. Was kann Hölderlin dafür, dass er von Geburt an unfrei war und in eine Zeit voller Barbaren geboren wurde?
Mit den Jahren wurde er zwar ruhiger und umgänglicher, aber er mochte es einfach nicht, wenn Fremde ihn besuchen wollten, weil er nach seinen schlimmen Erfahrungen Unbekannten verständlicherweise nicht mehr über den Weg traute.

Hölderlin war ein unbeugsamer und weiser Mann, der sich zeitlebens mit der Kirche angelegt hatte.
Nachdem einige Zeit vergangen war, wurde nochmal eine Untersuchung anberaumt. Die Ärzte sollten feststellen, ob Hölderlin genesen sei.
Man hatte auch schon eine Verwandte der Mutter auserkoren, die Hölderlin heiraten sollte. Eberhardine Blöst war die Auserwählte. Hölderlin wusste aber auch diese Dame zu umgehen, sodass schließlich sein Bruder Karl sie ehelichte. Nein, Hölderlin wollte keine andere Frau außer Susette Gontard. Und er wollte seine Ruhe vor diesen Barbaren !

Als Immanuel Nast, der Cousin von Hölderlins ehemaliger Verlobten Luise Nast aus Maulbronn, als Amtsperson im Zuge des Erbschaftsstreits, den Hölderlins Geschwister Heinrike und Karl nach dem Tod der Mutter Johanna 1828 begannen, zu Hölderlin in den Turm kam, war Nast beim Wiedersehen mit Hölderlin so ergriffen, dass er ihm "weinend wie ein Kind" um den Hals fiel, wie Ernst Zimmer selbst mit Betroffenheit in seinem Brief bezeugte. Immanuel Nast war zutiefst darüber bestürzt, was Hölderlin angetan wurde.
Die Geschwister Hölderlins bekamen schließlich ihren Erbteil, Hölderlin starb dennoch als wohlhabender Mann.

Die Tatsache, dass Hölderlins Mutter ihn nie im Turm besucht hatte, liegt vermutlich daran, dass es ihr die Kirche untersagte. Das war die Strafe für Hölderlin, weil er ungehorsam war. Die Kirche hatte umsonst viel in ihn investiert, um ihn als Pfarrer auszubilden. Wenn Ernst Zimmer Hölderlin sagte, er könne doch seiner Mutter schreiben, dann schrieb Hölderlin nur ein paar Zeilen und unterschrieb mit "Ihr gehorsamer Sohn". Ich denke, dass Hölderlin die Lage akzeptiert hatte, so wie sie war. Es hätte für ihn und die gesamte Familie sonst auch noch sehr viel mehr Nachteile haben können.

Am 16. April 1828 schrieb Ernst Zimmer an den Herrn Amtspfleger: "Ich weiß nicht ob Sie den Lieben Unglüklichen Hölderlin können, und Antheil an Ihm nehmen, Er verdient es gewiß in jeder Rüksicht. Die neusten Tag Blätter nennen Ihn den ersten Elegischen Dichter Deutschlands, schade vor Seinen herlichen, und großen Geist, der jezt in Feßlen liegt. Auch sein Gemüth ist so reuch, so tief, und so edel, daß mann selten einen Sterblichen finden wird der Ihm gleicht. Da Seine Edle nun Volendete Muter, schon lange vor Ihrem Hingang, für Seine Bedürfniße hinlänglich gesorgt, wie Sie es mir auch mehrere mahl geschrieben hat, so ist es, Traurig das mann Ihm nicht einmahl daß was Seine Muter für Ihn angeordnet hat, zuerkennen will, und auch da Ihn noch daß Schiksal verfolgt. Was wird Sein künftiger Biograf sagen, der wie ich hofe nicht ausbleiben wird, über diese Geschichte. [...]" (Scheuffelen & Wagner-Gnan, "... die Winter Tage bringt Er meistens am Forte Piano zu...", Seite 10-13, aus der Pflegschaftsakte Hölderlin im Nürtinger Stadtarchiv)

Beim Lesen der Briefe Hölderlins war ich auch zu der Ansicht gekommen, dass Hölderlin ein edles Gemüt hatte und ein sehr feiner Mensch war, dem man nicht alle Tage begegnet. Ernst Zimmer stimme ich voll und ganz zu und bin dankbar, Hölderlin auf meinem Stammbaum zu haben. Es ist für mich eine Ehre und ein wahres Bedürfnis, über ihn und weitere gemeinsame Verwandte zu berichten.

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07. Juni 1843Johann Christian Friedrich Hölderlin stirbt nachts um 11 Uhr im Alter von 73 Jahren. Lotte Zimmer hatte nicht damit gerechnet, obwohl Hölderlin durch seine Erkältung geschwächt war. Sie bescheinigt ein "sanftes Hinscheiden". Christoph Schwab ruft die Studenten auf, an der Bestattung teilzunehmen. Das Foto zeigt Hölderlins Grab auf dem Tübinger Friedhof.

10. Juni 1843Christoph Schwab hält die Grabrede und dankt insgeheim dem Himmel, dass ein heftiger Gewitterregen herniedergeht, sodass nur diejenigen Hölderlin die letzte Ehre erweisen, die echten Anteil nehmen. Sobald Hölderlin unter der Erde war, "brach die volle Sonne durch die Wolken". (Gottlob Kemmler, Freund von Christoph Schwab, der die Elegie 'Auf Hölderlins Grab' schrieb.)

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Das Bild zeigt Karl Goks Gedenkschrift an seinen lieben Bruder Friedrich.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Grabsteins steht:

"In heiligsten der Stürme
falle zusammen
meine Kerkerwand,
und herrlicher und freier
walle mein Geist
ins unbekannte Land."

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19. August 2020Das Bild zeigt das Hölderlingrab im August 2020. Anlässlich des Jubiläums wurde die Grabstelle aufpoliert. Der alte morsche Birnbaum hinter dem Grabstein, unter dem Hölderlin damals auf den Spitaläckern begraben wurde, ist komplett entfernt worden sowie das schöne nostalgische Efeu, das Baum und Grabfläche bedeckte. Die grüne Begrenzung wurde mit Bodendeckern und einer neuen Eiben-Hecke erweitert, der Grabstein gesäubert und bröckelnde Ecken mit Spachtelmasse wieder neu modelliert. Hinter der Grabstelle wurde ein neuer Baum gepflanzt, der hoffentlich genauso groß und schön wird wie der alte.

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Hölder-Wein aus Schloss NeuenburgDas Foto zeigt Schloss Neuenburg in Freyburg an der Unstrut.
Die dortige Winzervereinigung baut an den Hängen des Schlosses den Weißwein 'Hölder' an.
Zu Ehren Friedrich Hölderlins und der Stadt Lauffen am Neckar züchtete 1955 August Herold an der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg im Landkreis Heilbronn diese neue Rebsorte, indem er Riesling und Ruländer (Synonyme: Grauer Burgunder, Pinot gris) kreuzte, woraus ein fruchtiger Weißwein entstand.
In den Weinbergen entlang der Flüsse Saale und Unstrut findet der 'Hölder' heutzutage wohl beste Bedingungen.
Der goldene 'Hölder' gehört natürlich zu meinen Lieblingsweinen, und ich bin mir sicher, dass er Hölderlin auch geschmeckt hätte.

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20. März 2020 Anlässlich des 250. Wiegenfestes unseres lieben Ahnen und Familienmitglieds Johann Christian Friedrich Hölderlin gedenken wir ihm in aller Stille, in tiefer Liebe und seelischer Verbundenheit. Wir freuen uns für ihn, dass er seinen unverbrüchlichen Glauben an Gott und seine Liebe zur Menschheit nie verloren hat.

Hölderlin hat sein Schicksal auf Erden in Demut angenommen, weil er wusste, dass er geliebt wird und es für sein Seelenheil so und nicht anders richtig ist, weil von Gott so gewollt... "Denn der hat viel gewonnen, der das Leben verstehen kann, ohne zu trauern.", wie Hölderlin einmal sagte.